Die Schlacht um Europa
Spricht man von der Neuen Rechten so schießen einem sofort zahlreiche Namen in den Kopf: Alain de Benoist, Renaud Camus, Alexander Dugin… und eben auch Guillaume Faye.
Im deutschsprachigen Raum vor allem für sein als Aktivistenhandbuch gestaltetes Werk „Wofür wir kämpfen“ bekannt, birgt das Schaffen dieses Denkers aber noch viel mehr, was sich zu lesen lohnt. Doch gerade bei Denkern wie Faye, welche größtenteils noch nicht ins Deutsche übersetzt wurden und bereits zahlreiche Bücher auf Französisch verfasst haben stellt sich immer die Frage: Wo anfangen, welches Werk birgt wertvolle Gedanken, auf welche Bücher kann man dankend verzichten, kurzum – wo finde ich eine gute Einführung in sein Schaffen? Die Antwort liefert Michael O’Meara, Doktor der Geschichte, Gesicht der amerikanischen „Alt-Right“ und Verfasser des Buches „New Culture, New Right. Anti-Liberalism in Postmodern Europe.“ in seinem 2013 erschienenem Werk „Guillaume Faye and the Battle for Europe“ (Guillaume Faye und die Schlacht um Europa). Auf mehr als 127 Seiten widmet sich O’Meara dem Denken Guillaume Fayes von seinen Anfängen bis 2012. Doch wer ist eigentlich dieser Mann und was macht sein Denken so besonders?
Der Martin Luther der Neuen Rechten
Ebenso wie der „Papst“ der Neuen Rechten Alain de Benoist, war Faye zunächst Mitglied der Denkfabrik GRECE in Frankreich. Dort entwickelte er sich schnell zur Nummer zwei der Gruppe, welche insbesondere für ihre radikalen Denkansätze bekannt war: Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern dieser Denkfabrik lehnte er eine zu starke Fokussierung auf den Ethnopluralismus ab, welchen er stets im Verdacht hatte, zu sehr mit dem Befreiungskampf der Völker in der Dritten Welt zu sympathisieren und dabei auf die Interessen der ethnischen Europäer am Kontinent zu vergessen. Faye propagierte stattdessen den Ethnozentrismus als Alternative zum Ethnopluralismus – und wurde somit zum „Luther der Neuen Rechten“. Doch um was ging es diesem Reformator genau?
Die Schlacht um Europa
Zentral für Fayes Denken ist nach Michael O’Meara die Erkenntnis, dass sich Europa zur Zeit im größten Existenzkampf seiner Geschichte befinde. Unterjocht und von den USA als Vasall gehalten, der die Interessen und Wünsche jenseits des Atlantiks bedienen muss, wird der Kontinent dank seiner korrupten Führungsschicht von Einwanderern aus dem globalen Süden kolonisiert, welche im Namen des Islams Europa erobern wollen. In dieser „Schlacht um Europa“ gelte es nun alle Kräfte zu bündeln, strategische Fehleinschätzungen zu verwerfen und endlich die Feindbestimmung nach Carl Schmitt richtig durchzuführen, um den Feinden der europäischen Zivilisation entschlossen entgegentreten zu können. Doch wer ist der Hauptfeind und worin liegen die strategischen Fehleinschätzungen der Alten Rechten, die uns bis heute verfolgen?
Feind und Hauptfeind
Für Faye ist der Hauptfeind nicht in USA als Vorantreiber der Globalisierung und Welthegemon zu suchen. Zwar seien die USA der Grund für das Chaos im Nahen Osten und würden die Europäer massiv manipulieren und überwachen, Stichwort NSA, jedoch seien sie in diesem Sinne nur ein Feind im Sinne des lateinischen „adversarius“. Stattdessen sieht er in Kolonisatoren Europas, den Migranten des Globalen Südens den Hauptfeind, den „inmicus“, dessen Siedlungs- und Herrschaftsanspruch es im Rahmen der Reconquista infrage zustellen gilt. Eine These, die er zum ersten Mal 2000 in seinem Buch „La Colonisation de l’Europe“ (Die Kolonisierung Europas) aufwirft und dieses Werk zu seinem wohl wirkungsmächtigsten und bedeutendsten Beitrag für die Neue Rechte macht. Dabei wirft Faye ein, dass jene, welche nicht an die Möglichkeit der Reconquista glauben, sich bereits selbst zu Komplizen des Systems gemacht haben (eine Anspielung auf seinen Disput mit Alain de Benoist, welcher mehrmals in Interviews zu verstehen gab, dass er eine Reconquista nicht mehr für möglich hält.)
Gegen jeden Antisemitismus
Einer der Kardinalfehler der Rechten, so Faye, sei ihre Fixierung auf Verschwörungstheorien und die damit einhergehende personalisierte Kritik, welche die eigentlichen Probleme, etwa die Ideologie des Liberalismus und ihre Hegemonie, außer Acht lasse. In seinem 2007 auf Französisch erschienen Buch „La nouvelle question juive“ (Die neue Judenfrage) kritisierte er genau diese antisemitische Obsession der Alten Rechten mit ihrer Suche nach Weltverschwörungen – und wies nach, dass sie nicht nur dumm sei, sondern auch jeglicher Grundlage entbehre und politisches Engagement von patriotischer Seite behindere. Gerade im Angesicht der islamischen Invasion, welche Faye im historischen Kontext der Schlacht von Tours und Poitiers 723 und der Zweiten Türkenbelagerung von Wien 1683 als drittes Vordringen des Islams nach Europa sieht, sei es wichtig, sich vom Antisemitismus zu lösen und aufzuhören, sich Donquichotterien im Angesicht der Schlacht um Europa zu liefern.
Die Konvergenz der Katastrophen und die Kolonisierung Europas
Schließlich sieht Faye in der Kolonisierung Europas nicht nur eine Entwicklung, welche von der herrschenden politischen Kaste in Europa unterstützt, von der Türkei, Saudiarabien und den Golfstaaten finanziert und von Amerika zumindest befeuert wird (er meint damit letztlich den Großen Austausch, auch wenn er diesen Begriff noch nicht verwendet), sondern vielmehr eine Katastrophe unter mehreren. In seinem 2004 erschienen Werk „Konvergenz der Katastrophen“ (welches mittlerweile auf Englisch vorliegt) kommt er vielmehr zur Einsicht, dass die demographische Armut Europas, der Klimawandel, die Proliferation chemischer und biologischer Waffen sowie die Wirtschaftskrise und der internationale Terrorismus weitere Faktoren sind, welche diese „Hauptfrage“ nach der Zukunft Europas noch verstärken und letztlich den Weg zum Zusammenbruch der bestehenden Ordnung bereiten würden. Somit seien wir Europäer gleich mit einer ganzen Reihe von Fehlentwicklungen konfrontiert, welche in seinen Augen zwangsläufig zwischen 2010 und 2020 in einer die bestehende Gesellschaftsordnung aus den Angel hebenden Weise kulminieren müssen. Doch bedeutet dies für Faye nicht das Ende Europas, sondern vielmehr den Anbruch einer neuen, archeofuturistischen Welt – welcher er selbst mittlerweile schon zwei Bücher gewidmet hat.
Archeofuturismus – nach den Katastrophen
Im Archeofuturismus, seiner Vision einer Welt nach den Katastrophen, plädiert Faye für eine Versöhnung von archaischer Tradition und moderner Technik. In seinen Augen liegt nicht in der modernen Technik an sich das Übel, sondern in der Art und Weise wie sie verwendet wird, sowie ihrer Verbreitung. Eine Einschränkung der modernen Technik auf eine kleine Elite innerhalb Europas sei die Lösung dieses Problems, welche nicht nur die Gefahr für die Umwelt eingrenzen würde, sondern auch zu verhindern wisse, dass die Technik des Westens gegen ihn selbst eingesetzt werde. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück für den Transhumanismus zu plädieren und etwa die Reproduktion des Menschen in Reagenzgläsern zu propagieren. Ein Buch, dass einem angesichts seiner Transhumanismusthesen und Vorschläge zur Bewältigung der demographischen Katastrophe wohl wie kein anderes vor Augen führt, dass auch Faye sich in seinen Gedankengängen verrennen kann. Nichtsdestotrotz bleibt das Denken Fayes wichtig für die Neue Rechte – was auch Michael O’Meara zugibt und auch an der Übersetzungstätigkeit des Arktosverlages erkenntlich ist, der gerade zwei weitere Bücher Fayes ins Englische übersetzt.