Wie Al-Nusra die anderen Oppositionsgruppen ausmanövriert

04.07.2016

Die Verbindungen zwischen der al-Qaida in Syrien und anderen Milizen sind von einer kennzeichnenden Dominanz geprägt, war immer wieder aus Mitteilungen aus dem Kriegsgeschehen in Syrien zu erfahren. Die al-Nusra-Front achte stets darauf, sich die Zuständigkeit für die Besetzung der Scharia-Gerichte in den eroberten Gebieten zu sichern. Auch die al-Nusra verfolgt das Ziel eines "islamischen Staates". Für die Milizen, die mit ihr kooperieren, heißt das Unterwerfung. Es geht nicht um eine militärische Zusammenarbeit unter Gleichen.

Dies wird erneut an einer Nachricht vom Wochenende deutlich. Laut Reuters hat die al-Qaida-Miliz den Chef einer Miliz namens Jaish al-Tahrir-Brigade sowie mehrere seiner Gefolgsleute gefangen genommen, nachdem die al-Nusra mehrere koordinierte Überfälle auf die Gruppe im Norden Syriens, in der Provinz Idlib, durchgeführt habe. Die Nachrichtenagentur stützt sich auf Aussagen der Miliz Jaish al-Tahrir-Brigade.

Der Zusatz Brigade hinter der Bezeichnung "Armee der Befreiung" verweist darauf, dass es sich um eine Gruppe handelt, die sich der Freien Syrischen Armee zuordnet. Anfang des Jahres taten sich mehrere FSA-Gruppierungen unter diesem Dachbegriff zusammen. Laut Reuters soll der Zusammenschluss etwa 4.000 "gut ausgebildete Kämpfer" haben.

Der bemerkenswerte Punkt ist, dass die Jaish al-Tahrir-Brigade von den USA mit Waffen unterstützt wird und politisch. Es ist nach der 13. Division die nächste von den USA geförderte Oppositionsgruppe, die von al-Nusra einkassiert wird. Man kann davon ausgehen, dass die Dschihadisten nicht nur absolute Gefolgschaft, sondern auch Waffen fordern werden.

Als Anklagepunkt der Nusra-Front gegen die Jaish al Tahrir zitiert der Reutersbericht übrigens die Teilnahme am US-Programm zur Ausbildung und Ausrüstung von "syrischen Aufständischen in ihrem Kampf gegen den islamischen Staat". Das lässt stutzen, weil die Milizen in Idlib nicht gegen den IS kämpfen, sondern gegen die syrische Armee. In Idlib machten die Gegner Assads im letzten Jahr große Geländegewinne, die letztlich auch ein Grund dafür waren, dass Russland später militärisch in Syrien intervenierte.

Der Dachverband, der die Eroberungen in Idlib machte, heißt Jaish al-Fatah. Deren mächtigsten Gruppen sind die al-Nusra-Front und Ahrar al-Sham. Verbunden damit sind Fraktionen der FSA.

Dass sich die FSA-Miliz Jaish al-Tahrir-Brigade im Konflikt mit al-Nusra die Vermittlung von Ahrar al-Sham erhofft, verweist auf genau die Gemengenlage, die im Mittelpunkt von Streitigkeiten zwischen den USA und Russland stehen. Es zeigt erneut, wie eng die Verbindungen zwischen den "moderaten Oppositionsgruppen" und den salafistischen-dschihadistischen Milizen sind.

Inwieweit das Vorgehen von al-Nusra gegen die Jaish al-Tahrir-Brigade darauf zurückzuführen ist, dass die FSA-Einheit versucht hatte, auf Abstand zu gehen, ist von außen nicht zu überprüfen. Eindeutig ist, dass al-Nusra auf die Kontrolle über die Gruppen bedacht ist. Von einer Distanzierung, wie sie Russlands Außenminister Lawrow seit Wochen fordert, ist unter diesen Bedingungen wenig zu machen.

Es sei denn, solche Distanzierungen würden von den USA unterstützt. Das hieße, dass man in Washington den Kampf gegen die al-Nusra-Front tatsächlich ernst nimmt (USA schlagen ein Bündnis mit Russland gegen al-Nusra vor). Das wäre dann ein Game-Changer.

Telepolis (4.7.2016)