Warum die Türkei zum Ziel des Terrors wird
Am Abend des 10 Dezember fand nach einem Fußballspiel im Bezirk Beşiktaş in Istanbul ein Bombenattentat auf türkische Polizeioffiziere statt, welche gerade dabei waren das Stadium zu verlassen. Wie der Innenminister bekannt gab, explodierten die beiden Bomben kurz aufeinander, die erste war eine Autobombe, die zweite ein Selbstmordattentäter. Unglücklicherweise starben 38 Menschen. Darunter waren 30 Polizeioffiziere, weitere 155 Offiziere und Zivilisten wurden verwundet. Es wurde ein Tag der landesweiten Trauer ausgerufen und die separatistische Terrororganisation PKK beanspruchte die Verantwortung für das Bombenattentat für sich. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gab bekannt, dass er auf dem Flug zu einem offiziellen Besuch nach Kasachstan war um die bilateralen Beziehungen zu erörtern sowie eine mögliche Mitgliedschaft der Türkei in der Schanghaier Kooperation, daher ist der Zeitpunk der Anschläge sehr bedeutsam.
2016 ist ein sehr schmerzvolles Jahr und gleichsam einWendepunkt für die Türkei. Obwohl die Türkei bereits seit 1984 gegen die PKK kämpft, hat diese zum ersten Mal Ziele und Zivilisten in Großstädten wie Ankara und Istanbul mit Selbstmordattentätern und Autobomben angegriffen. Im Jahr 2016 fanden alleine bis jetzt 12 Bombenattentate statt, welche 317 Tote und hunderte Verletze verursachten. Dabei sind die Attentate gleichmäßig auf ISIS und die PKK verteilt. Istanbul wurde dieses Jahr fünfmal und Ankara dreimal zum Ziel. Der erste Selbstmordanschlag von ISIS fand dabei am 06.01.2015 statt und nachdem die Türkei ISIS in Syrien ins Visier nahm, begann die Zahl der Anschläge zu explodieren. Weiters führte der von FETÖ Terroristen durchgeführte und den USA gedeckte Putschversuch am 15.07. zu 240 Toten.
Um all die Gründe zu verstehen, warum die Türkei bevorzugt ins Visier von terroristischen Gruppen gerät, müsste man sicher ein dickes Buch schreiben. Ich werde hier nur aktuelle Entwicklungen aufführen welche größtenteils in der letzten Woche geschahen und dem Leser die eingehende Beurteilung überlassen:
Letzten Monat schlug das EU-Parlament das Einfrieren der Mitgliedschaftsverhandlungen mit der Türkei vor. Erdoğan antwortete, dass die Schanghaier Kooperation (SCO) die bessere Alternative sei, da sie sich im Unterschied zur EU nicht in die inneren Angelegenheiten ihrer Mitglieder einmische und eher gegenseitige Gewinne als unlitaterale Vorstöße den Charakter der SCO ausmachen. Die Türkei wird dem Energieklub der Schanghaier Kooperation 2017 vorsitzen und damit als erstes Nicht-SCO Land eine Präsidentschaft übernehmen.
Nach dem Putschversuch besuchte der türkische Präsident Russland, Weißrussland, Pakistan und Usbekistan. Er war gerade dabei nach Kasachstan zu fliegen, als die Anschläge passierten. Während seines Besuches verkündete er lautstark, dass sich Eurasien erhebe und die Zukunft der Türkei in den Staaten Eurasiens liege.
Heutzutage verlassen immer mehr EU und US Portfolioinvestoren den türkischen Währungsmarkt, nachdem das türkische Rating von westlichen Ratingfirmen gesenkt wurde. Der US-Dollar stieg seit dem Putschversuch am 15.07. um 21%. Die türkischen betrachten die jüngsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten als Wirtschaftsattacke auf die türkische Ökonomie. Als Antwort begannen die Türken auf Initiative Erdogans eine Kampagne der Entdollarisierung. Haushalte, Formen und Regierungsinstitutionen wechselten Dollar Konten in die regionale Währung um die türkische Lira zu erhalten.
Weiters bot die Türkei Russland, China und dem Iran, alles wichtige Handelspartner der Türkei an, von nun an in ihren regionalen Währungen anstatt in Dollar zu handeln. Am 8 Dezember veröffentlichte Stratfor, bekannt als Schatten der CIA, einen Artikel in welchem es unterstrich, dass wenn andere Länder so wie die Türkei ihren Handel nicht mehr in Dollar abwickeln würden, sich das ganze System im Sinne einer Entdollarisierung verändern würde.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wenn der US Dollar seine Stellung als Reservewährung verliert, die US-Hegemonie ernsthaft ins Wanken geraten würde.
Türkische Sondereinsatzkräfte und moderate Oppositionelle blockierten Al-Bab was zum Ende des Traumes der YPG-Kurden führen wird, einen Korridor in Nordsyrien zu errichten. Die Türkei gab bekannt, dass das nächste Ziel Manbij sein werde, welches aktuell noch von der YPG gehalten wird.
Am 9 Dezember gaben die Regierungspartei AKP und die oppositionelle MHP gemeinsam eine Verfassungsänderung bekannt, welches das politische System der Türkei von einem parlamentarischen zu einem präsidentiellen System verwandeln wird. In der politischen Geschichte der Türkei haben Koalitionen nicht funktioniert, die Verfassungsänderung wird der Türkei daher eine stabilere und machtvollere Grundlage verschaffen.
In der letzten Woche besuchte der türkische Premierminister Binali Yıldırım Russia um die Entspannung zwischen der Türkei und Russland zu verstärken. Inzwischen wurde die Turkish-stream-Pipeline, welches russisches Erdgas direkt in die Türkei liefern soll ,von Erdoğan ratifiziert.
Eine vor kurzem durchgeführte und am 11 Dezember erschienene Meinungsumfrage der A&G zeigt interessante Ergebnisse auf, was die öffentliche Meinung in der Türkei betrifft. Obwohl die Türkei NATO-Mitglied ist, sehen 83% der Türken die USA nicht als Verbündeten an, wohingegen 61% die EU als Alliierten ablehnen. Auf der anderen Seite sehen 66% Russland als jenes Land an, mit dem man eine stärkere Annäherung an Stelle der USA und EU anstreben sollte.
Die Türkei wurde das ganze Jahr über in besonderes schwerer Weise zum Ziel gemeinsamer Angriffe PKK, ISIS und FETÖ Terroristen. Die Frequenz und Heftigkeit dieser Angriffe beschleunigt sich gleichzeitig mit Umorientierung der Türkei vom Westblock nach Eurasien.
Durch die Anschläge zahlt die türkische Nation einen sehr hohen Preis, aber jeder muss verstehen, dass die politische Führung der Türkei und die öffentliche Meinung gemeinsam die Willenskraft dazu haben, Angriffen terroristischer und wirtschaftlicher Natur zu widerstehen und dass diese Angriffe uns nicht schwächen, sondern die nationale Einheit verstärken und uns das Ziel einer nationalen Einheit zur Verfolgung nationaler und internationaler Maßnahmen nur mit doppelter Kraft verfolgen lassen.
Als eine Nation, welche in den Steppen Zentralasiens verwurzelt ist und seit mehr als 1000 Jahren mit dem Westen kämpft, ist die Türkei weder durch die Angriffe der USA und EU, noch durch Sanktionen von ihrem Schicksal abzubringen. Die Türkei wird sich hin zu Eurasien umorientieren und eine verstärkte Kooperation mit seinen slawischen, arabischen und persischen Nachbarn hinsichtlich Politik, Wirtschaft und Kultur vorantreiben um einen Beitrag zur Wiederauferstehung der großen eurasischen Zivilisation zu leisten.