TV-Duell Trump gegen Clinton: eine pressekritische Nachbetrachtung

03.10.2016

Am Dienstagabend begegneten sich die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Hillary Clinton bei ihrem ersten TV-Duell. Dieses Aufeinandertreffen haben in den USA eine lange Tradition und dementsprechend für die Amerikaner einen hohen Stellenwert. Fast sämtliche großen TV-Sender übertrugen das Ereignis, über 80 Millionen Menschen schauten zu. 90 Minuten lang stritten sich der Milliardär und die Ex-Außenministerin um Themen der Wirtschafts-, Außen-, Sicherheits- und Innenpolitik.

Während deutsche Medienvertreter bereits während der laufenden TV-Debatte klar und einseitig Stellung bezogen, indem sie Clinton als Siegerin des Duells festmachten, zeigt ein Blick hinter die Kulissen ein differenzierteres Bild.

Die deutschsprachigen Medien übernahmen inhaltlich fast deckungsgleich die Positionen der liberalen und linken Blätter aus den USA. Es wurde von einem souveränen Auftritt der demokratischen Kandidatin gesprochen, wohingegen ihr Gegner ihr 51 Mal rüde ins Wort gefallen sei und überhaupt sehr dünnhäutig gewirkt habe. Auch habe sie die harschen und inhaltsleeren Attacken des Republikaners intelligent gekontert. Auf die vorgebliche Inhaltsleere von Trumps Argumentationen wird zwar hingewiesen, anhand von Beispielen belegt allerdings nicht. Die meisten Kommentare der deutschen Medien lesen sich durchweg wie schon am Tag zuvor geschrieben. Die Mühe, Neutralität vorzutäuschen, macht man sich auch vielerorts gar nicht mehr. Auch die ARD übertrug die Debatte live, kommentiert von Ina Ruck. Ihr Studiogast: Michael Werz, Mitarbeiter in der den Demokraten nahestehenden Denkfabrik „Center for American Progress“. Einen republikanischen Gegenpol zu finden, hatte man offensichtlich nicht geschafft oder es einfach nicht für nötig gehalten.

Daß Donald J. Trump polarisiert, versteht sich von selbst, sein Auftreten lädt dazu ein. Während es in den USA allerdings eine Reihe von größeren Mediengruppen gibt, die sich offen auf die Seite des republikanischen Kandidaten schlagen, finden sich hierzulande fast nur Befürworter Clintons. Ob „Spiegel“ („Clinton führt Trump vor“), „F.A.Z.“ („Souveräne Clinton kontert atemlosen Trump“) oder „Die Welt“ („Clinton gewinnt gegen Trump“): deutsche Medien zeichnen ein höchst einseitiges Bild über den Ausgang des mit Spannung erwarteten Rededuells der beiden Kontrahenten. US-amerikanische Medien sehen hingegen ein weitgehend unentschiedenes Ergebnis: Die „New York Post“ attestierte Clinton, sie sei „langweilig, aber außerordentlich gut vorbereitet gewesen“, Trump wäre es gelungen, sich als aufregenden und schlagfertigen Kandidaten zu präsentieren, jedoch „undiszipliniert“ aufgetreten zu sein. „Fox News“ sehen zwar Clinton als knappe Siegerin, gestehen aber auch Trump zu, das erste Drittel des Gesprächs dominiert zu haben.

Der Londoner „Telegraph“ bewertet Trump als Sieger des TV-Duells. Clinton habe in dem Streitgespräch „alle Macken ihres Liberalismus zur Schau gestellt, die sie in den letzten Jahrzehnten sehr viel Unterstützung durch die Arbeiterschaft gekostet hat“. Auch habe sie nicht „die Amerikaner als Volk“ anzusprechen vermocht, sondern nur „einzelne Gruppen – Frauen, Menschen südamerikanischer Herkunft, Afroamerikaner“ – angesprochen.

In den deutschsprachigen Medien bewertet einzig die „Wirtschaftswoche“ Trump als Punktsieger: „Clinton ist gut, Trump ist besser“, titelt das Blatt und legt in einem Faktencheck dar, warum der republikanische Präsidentschaftskandidat die Oberhand hatte.

Die Ablehnung Trumps in der deutschen Presselandschaft erscheint beinahe als pathologischer Affekt gegen einen weißen Konservativen mit politisch inkorrekten Ansichten, in den seltensten Fällen werden nämlich Trumps Pläne im Falle seiner Präsidentschaft inhaltlich aufgegriffen oder analysiert. Trump sei rassistisch, sogar latent faschistisch und aufgrund seines Temperaments unfähig, ein Land wie die Vereinigten Staaten zu führen, so der Tenor. Außerdem würden die Amerikaner in Kürze ohnehin seine billig verpackte Hetze durchschauen – der Sieg Clintons sei nicht aufzuhalten, so die Meinungsmacher in ihren Redaktionen.

Die US-Wahl hat Symbolcharakter: Was, wenn Trump die Wahl tatsächlich gewinnt? Was, wenn sich die Amerikaner – immerhin seit 1945 Taktgeber in der westlichen Welt – am Ende für einen Kandidaten entscheiden, der für einen starken Nationalstaat eintritt? Der sich nicht um political correctness schert und sich nicht zu schade ist, althergebrachte Strukturen wie die NATO aufzubrechen? Was, wenn nach der Wahl die Welt doch nicht – wie seit Monaten angekündigt – untergeht? Der deutsche Michel könnte ja auf die Idee kommen, daß auch in der deutschen Politik noch Änderungen möglich sind.

Bald nach dem Schwung an linksliberaler Lobhudelei für die 68jährige Clinton wurden zahlreiche US-Zuschauerumfragen bekannt, wonach oftmals auch Trump die Nase vorne hatte. Für die investigativen Journalisten bei der F.A.Z. war jedoch klar: Trump-Anhänger hätten die Umfragen mit Hilfe ihrer Hacker-Kenntnisse manipuliert. Schlimmer noch: Die sogenannten „Trumpisten“ planten, die US-Wahlen zu Gunsten Trumps zu entscheiden, indem sie die Wähler am Stichtag mit gefälschten Umfrage- und Auszählungswerten beeinflußen werden.

Es bedarf wohl keiner weiteren Beispiele, um zu veranschaulichen, auf welchem Planeten manche Medienvertreter inzwischen leben. Eine sachlich-objektive Analyse des Erfolgs des immerhin die Hälfte der US-Amerikaner hinter sich versammelnden Trumps sucht der politisch Interessierte hierzulande jedenfalls vergeblich.

zuerst.de (1.10.2016)