Neuanfang für bilaterale Beziehungen zwischen Russland und der Türkei
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan haben nach monatelanger Eiszeit einen Neuanfang der bilateralen Beziehungen besiegelt.
Die beiden Staatschefs bekräftigten am Dienstag bei einem Treffen in St. Petersburg ihren Willen zur Wiederbelebung der Handelsbeziehungen. Es liege aber noch “viel Arbeit” vor den beiden Regierungen, sagte Putin. Das Pipeline-Projekt TurkStream soll nach Angaben der beiden Staatschefs nun zügig umgesetzt werden.
Das Treffen in Putins Heimatstadt war das erste der beiden Präsidenten seit dem Abschuss des Kampfflugzeugs im syrischen Grenzgebiet am 24. November. Der Zwischenfall hatte zu einer schweren Krise in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern geführt.
Putin bezeichnete das Gespräch mit Erdogan als “konstruktiv” und “offen”. Beide Seiten seien willens, die Krise zu überwinden. Die Rückkehr zu einer normalen Kooperation mit Ankara werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. “Wir haben noch viel Arbeit vor uns, um die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wiederzubeleben”, sagte Putin. “Der Prozess hat schon begonnen, aber er wird noch eine Weile dauern.”
Auch Erdogan bekräftigte seinen Willen zu einer Normalisierung des Verhältnisses: “Wir werden unsere Beziehungen auf die frühere Ebene und sogar darüber hinaus heben. Beide Seiten sind entschlossen und haben den nötigen Willen.”
Wegen der diplomatischen Verstimmungen war das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern in den ersten fünf Monaten des Jahres um 43 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro gesunken. Da Moskau alle Charterflüge für russische Touristen ins Urlaubsland Türkei stoppte, brach die Zahl der russischen Urlauber im Juni um 93 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ein.
Nach Angaben aus Moskau entschuldigte sich Ankara Ende Juni für den Abschuss des Militärjets, seitdem stehen die Zeichen wieder auf Annäherung. Nach dem Putschversuch sicherte Putin der Regierung in Ankara seine Unterstützung zu, wofür sich Erdogan nun im Namen des türkischen Volkes bedankte. Zwar wurden am Dienstag in St. Petersburg keine neuen Wirtschaftsverträge unterzeichnet, jedoch wollen Erdogan und Putin zwei Großprojekte im Energiesektor nun rasch umsetzen. Sie kündigten an, den Bau der Gas-Pipeline TurkStream voranzutreiben, mit der Gas aus Russland durch das Schwarze Meer in die Türkei und südeuropäische Länder geliefert werden soll. Auch der Bau des ersten Atomkraftwerk in der Türkei, das ein türkisch-russisches Konsortium im südlichen Akkuyu bauen will, habe nun oberste Priorität, sagte Erdogan.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte es in der “Bild”-Zeitung (Dienstagsausgabe) “gut”, dass es “wieder eine Annäherung gibt”. Er glaube aber nicht, “dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern so eng wird, dass Russland der Türkei eine Alternative zur Sicherheitspartnerschaft der Nato bieten kann”.
Nach Ansicht des Historikers Michael Wolffsohn will Putin einen Keil zwischen die Türkei und den Westen treiben. Durch die angestrebte Annäherung wolle Putin “natürlich” die EU und die Nato schwächen, hob der Publizist und Nahostexperte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP hervor.
Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD) sagte im RBB mit Blick auf Konflikte wie in Syrien, es sei auch im westlichen Interesse, wenn die Eiszeit zwischen der Türkei und Russland beendet werde. “Ohne ein Minimum an Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Russland wird es da keine Lösung geben”, sagte Erler mit Blick auf Syrien, wo Moskau auf der Seite von Machthaber Baschar al-Assad steht, während Ankara die Rebellen unterstützt.
Bei ihrer Pressekonferenz sparten die beiden Präsidenten den Syrien-Konflikt weitgehend aus. Trotz unterschiedlicher Ansichten über die Probleme in Syrien hätten beide Seiten das gemeinsame Ziel, die Krise zu beenden, sagte Putin. “Und wir werden eine Lösung suchen, die für alle akzeptable ist.”
euractiv.de (10.8.2016)