Nato will USA und Europa außerhalb des eigenen Territoriums verteidigen

10.04.2016

Die Nato bereitet eine weitere globale Ausweitung ihrer Aktivitäten vor: Sie will in Ländern Osteuropas und in der Golf-Region andere Staaten bei der militärischen Ausbildung unterstützen. Russland dürfte die Entwicklung mit erheblicher Sorge verfolgen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg [Bild] hat am Mittwoch am Atlantic Council in Washington D.C. eine Rede zur Situation der Nato gehalten. Die Rede enthielt, wenngleich verhältnismäßig sanft im Ton, einigen Sprengstoff. Stoltenberg legte die Strategie des Militärbündnisses dar, die im Juni beim nächsten Nato-Gipfel beschlossen werden soll. Demnach sieht die Nato ihre Aufgabe darin, Europa und die USA auch außerhalb des eigenen Territoriums zu verteidigen, wie Stoltenberg ausdrücklich sagte.

Die Ausweitung der Nato soll mit der Ausbildung und Unterstützung von lokalen Militäreinheiten beginnen. Stoltenberg nannte ausdrücklich Afghanistan als Blaupause. Hier sei es der Nato gelungen, die afghanische Armee zu einer schlagkräftigen und technologisch gut ausgerüsteten Einheit aufzubauen.

Stoltenberg sagte, dass die Nato damit fortfahren wird, ihre Präsenz in Osteuropa gegen Russland auszubauen. In Osteuropa sei deshalb eine „Kette von neuen Hauptquartieren“ geschaffen worden.

Stoltenberg wörtlich:

„Ein stärkeres und sichereres Europa bedeutet eine stärkere und sicherere USA (…) Ohne die Nato würde die transatlantische Kooperation schwächer sein, Europa und Nordamerika weniger sicher und die Welt ein gefährlicher Platz werden. Nehmen sie Russland: Im vergangenen Jahr sprach ich in Washington über sein destabilisierendes Verhalten, seiner militärischen Aufrüstung und seiner Aggression gegen die Ukraine. Und ich skizzierte, wie die Nato darauf antwortet. Seitdem haben wir signifikante Fortschritte gemacht. Die Nato wird agiler und wir erhöhen unsere Bereitschaft. Wir verstärken unsere kollektive Verteidigung – die größte Verstärkung einer kollektiven Verteidigung seit dem Ende des Kalten Kriegs. Die Eingreiftruppe der Nato ist nun drei Mal größer als zuvor. Wir haben eine Kette von neuen Hauptquartieren im östlichen Teil der Allianz geschaffen (…) Wir haben vor kurzem mit der militärischen Ausbildung und dem Aufbau von Kapazitäten in Georgien, Moldawien und in Jordanien begonnen.“

Der Nato-Generalsekretär kündigte auch weitere Stationierungen von US-Truppen in Europa an:

„Ich habe mich am Montag mit Obama getroffen und habe ihm für die Finanzierung und die Vervierfachung der Finanzierung der European Reassurance Initiative gedankt (…) Das bedeutet, dass mehr US-Truppen auf europäischem Boden stationiert werden (…) Wir begegnen einer neuen strategischen Realität und wir müssen vorbereitet sein (…) Wir wollen unsere Bereitschaft verbessern und wollen deshalb multinationale Truppen im östlichen Teil der Allianz stationieren und aufstocken. Damit es klar ist, ein Angriff gegen ein Nato-Mitglied wird von Truppen begegnet werden, die aus allen Ländern der Allianz stammen. Wir werden unsere Widerstandsfähigkeit gegen die hybride Kriegsführung und Cyber-Bedrohungen verbessern und wollen sicherstellen, dass die nukleare Komponente unserer Abschreckung glaubwürdig und effektiv bleibt. Wir werden unser Ziel eines Europas in Frieden und Sicherheit erweitern, mit einer Einladung an Montenegro zum Nato-Beitritt.“

Immerhin räumte Stoltenberg ein, dass es derzeit keine Gefahr eines russischen Angriffs gäbe. Im Interview im Anschluss an die Rede sagte er, dass die Nato weiterhin den Gesprächskontakt mit Russland suche, dies aber am besten aus einer Position der Stärke heraus geschehe.

Weiterhin sagte Stoltenberg, dass die Nato künftig mit dem Golf-Kooperationsrat (GCC) eine großangelegte regionale Kooperation eingehen wird. Dem GCC gehören Bahrain, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) an.

„Ich begrüße die von den USA angeführte globale Anti-IS-Koalition. Um unser Territorium zu schützen, müssen wir bereit sein, über unsere Grenzen hinaus aktiv zu werden. Das hat verschiedene Komponenten: Um den IS zu besiegen, müssen wir Gewalt einsetzen. Militärische Aktionen sind essentiell, wen wir den IS seiner Hochburgen im Irak und Syrien berauben wollen. Doch Stabilität schaffen bedeutet auch, dass wir unsere Kräfte dazu nutzen müssen, um andere zu trainieren, damit diese kämpfen. Langfristig ist es nachhaltiger, lokale Kräfte dazu zu befähigen, ihre Länder zu schützen als große Truppenverbände aus unseren Reihen auszusenden (…) Wir müssen mit regionalen Partnern kooperieren.

Dafür gibt es drei Wege, die meines Erachtens zu gehen sind: Erstens muss die Nato ihre Fähigkeit, lokale Kräfte zu trainieren und zu unterstützen erweitern. Mein zweiter Vorschlag ist der, dass die Nato den Irak stärker unterstützen muss. Ein stabiler Irak ist der Schlüssel im Kampf gegen den IS. Vergangene Woche hat die Nato damit begonnen, irakische Offiziere in Jordanien zu trainieren (…). Mein dritter Vorschlag ist der, dass wir unsere Kooperation mit regionalen Partnern auf ein neues Level tragen müssen, weil diese die Region am besten kennen. Vor wenigen Wochen kam der Generalsekretär des Golf-Kooperationsrats (GCC) in das Nato-Hauptquartier. Die GCC ist an und dabei, ihre Fähigkeiten zur Führung von multinationalen Truppen zu erweitern. Die Nato hingegen hat Erfahrung in der Schaffung und Erhaltung von militärischen Strukturen. Diese Expertise können wir teilen. Wir untersuchen, wie wir in den Bereichen Anti-Terror-Bekämpfung, Energie, Cyber-Verteidigung und Schiffsfahrtsicherheit kooperieren können.

Mein Ziel ist es, die Kooperation mit der GCC voranzutreiben. Die neue regionale Kooperationsstelle der Nato in Kuwait bietet uns die Möglichkeit, um unsere Partnerschaften zu verstärken. Die Stelle wird im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit von Nato und des GCC stehen (…) Das König Abdullah Operationszentrum in Jordanien ist eine weitere Plattform für die Zusammenarbeit. Es entspricht Nato-Standards und hier werden die irakischen Offiziere trainiert (…) Überall in der Regionen sagen mir sie Staatsführer, dass sie mehr mit der Nato kooperieren wollen.“

Die Nato werde sich noch eine lange Zeit lang mit dem IS und diversen Terror-Gruppen beschäftigen müssen. Dazu meint Stoltenberg:

„Die Herausforderungen des Nahen Ostens und Nordafrikas stellen eine direkte Bedrohung für die  transatlantische Sicherheit dar – für unsere gemeinsamen Werte und für unsere gemeinsamen Interessen. Wir müssen unsere Verteidigung stärken und müssen auch unsere Partner stark machen. Die Bedrohung durch den IS und durch andere Terror-Organisationen wird uns noch für eine lange Zeit beschäftigen. Deshalb müssen wir all unsere Werkzeuge zum Einsatz bringen. Die Nato ist in diesem Zusammenhang ein starkes Werkzeug, in das all unsere Nationen große Investitionen getätigt haben.“

Deutsche Wirtschaft Nachrichten (8.4.2016)