Geopolitische Vorschau 2017: EU
2016 ist vorbei und daher ist es an der Zeit die wichtigsten Ereignisse in jeder Region zu bewerten und eine Prognose anzustellen, wie sie das kommende Jahr beeinflussen werden. Das Forschungsgebiet ist in 11 separate Sektionen aufgeteilt, welche den ganzen Erdball abdecken. Besondere Aufmerksamkeit wird der EU, dem Nahen Osten, Zentralasien, Südasien, den ASEAN Staaten, Nordostasien, China, Russland, Afrika, Lateinamerika und den USA gegeben werden.
Jeder Teil wird mit einer kurzen Zusammenfassung beginnen, welche den Boden für die Analyse der drei Hauptentwicklungen in der Region bereiten wird. Ziel ist es eine kompakte Übersicht über die wichtigsten Entwicklungen der Vergangenheit zu bieten und gleichzeitig jene Ereignisse zu prognostizieren, die sich in den kommenden 12 Monaten ereignen werden. Schließlich wird sich der letzte Teil der erwähnten Forschung mit den drei wichtigsten globalen Entwicklungen auseinandersetzen, welche zur Zeit auf der Welt stattfinden.
Aus offensichtlichen Gründen der Zeit- und Raumbegrenzung wird diese Arbeit nicht dazu in der Lage sein jedes einzelne wichtige Ereignis abzudecken, welches letztes Jahr stattfand. Daher sollte der geneigte Leser freundlicherweise verstehen, dass die folgende Rück- und Vorschau alleine aus der Intuition des Autors und dem interpretativen geopolitischen Rahmen seiner bisherigen Arbeit für Katehon und andere Medien entstanden ist.
Zusammenfassung
Die internen Bruchlinien auf dem Kontinent zwischen Eurobesorgten und Totalitaristen liegen fest und werden im kommenden Jahr noch stärker hervortreten. Dies könnte zu einer geopolitischen Teilung der EU in Ost und West und/oder Nord und Süd führen. Die Einheit der EU wird durch die Krisen an ihrer Peripherie abermals auf die Probe gestellt werden die vom ungelösten Krieg um das Donbass über den Revisionismus am Balkan bis hin zur Terroristen-Einwanderer Invasion aus Nordafrika reichen.
Der Aufstand der Eurobesorgten
Der Begriff der „Eurobesorgten“ ist der bessere Terminus des Autors für die von den Mainstreammedien als „Euroskeptiker“ verächtlich gemachte Gruppe, welche in den letzten Jahren eine beeindruckende Erfolgsgeschichte erlebt hat. Ungarn Premierminister Viktor Orban war der erste echte Politiker aus diesem Lager, welcher es an die Macht geschafft hat, wenn ihm auch kurz darauf Polens „Graue Eminenz“ Jaroslaw Kaczynski von der PiS Partei nachfolgte sowie der slowakische Premierminister Robert Fico im Anfang 2016 wiedergewählt wurde. Der Brexit versetzte die ganze Welt in Angst und Schrecken und dann wurde das politische Establishment Italiens von Minister Matteo Renzis fehlgeschlagenem Zentralisierungsreferendum erschüttert. Obwohl die FPÖ die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen knapp verloren hat, besitzt sie weiterhin großen Einfluss und genießt die Unterstützung der Massen.
Im Hinblick auf 2017 wird Frankreich seinen Augenblick der Entscheidung erleben, wenn Marine Le Pen in den Präsidentschaftswahlen gegen Francois Fillon antreten wird. Die weibliche Aufwieglerin könnte realistisch gesehen sogar zur nächsten Anführerin des Landes werden. Aber auch wenn sie es nicht wird, würde dies dennoch einen Umschwung Frankreichs nach rechts bedeuten, da es als extrem unrealistisch angesehen wird, dass der sozialistische Kandidat gewinnt. All dies zusammen betrachtet könnten diese innenpolitischen Ereignisse zu einem den gesamten Kontinent umfassenden Aufstand der Eurobesorgten führen. Dieser wird zum größten Teil von herbeigeführten Einwanderungskrise und der mit den “Sekularen Wahhabiten” in Verbindung stehenden Kriegsführung der Fünften Generation, deren Ziel die zivilisatorische Aggression ist, genährt. Dass einzige Land, welches davon weitgehend unberührt bleibt ist Deutschland, welches die letzte verbleibende Bastion der neoliberalen „Neuen Weltordnung“ und ihres Regierungs- und Wirtschaftssystems ist. Das Hauptziel der Eurobesorgten ist es die Regierung im EU-Anführer Deutschland mit einer wesentlich pragmatischeren und zivilisatorisch verantwortungsbewussteren zu ersetzten, welche die innere und vielleicht auch geopolitische Ordnung des Kontinents neu arrangieren könnte.
Kontinentale Bruchlinien
Der Aufstieg der Eurobesorgten könnte zu einer Reorganisation der EU führen, wobei es unklar wäre wie diese in der Praxis aussehen würde, wenn sie denn je umgesetzt werden würde. Der Autor hat ein paar der wahrscheinlichsten Szenarien in seinem Duranstück unter dem Titel “Post-Brexit EU: Between Regional Breakdown And Full-Blown Dictatorship” beschrieben, worin auch einige der geopolitischen Folgen skizziert werden, die daraus folgen könnten.
Die Grundidee darin ist, dass die EU vor der unabwendbaren Wahl steht entweder alle existierenden „Freiheiten“ in die Tonne zu treten und eine richtige Diktatur zu werden um ihren „einheitlichen“ Totalitarismus zu erhalten oder sich zurückzuentwickeln indem sie ihren Mitgliedsstaaten wieder Kompetenzen zurückgibt und damit die Büchse der Pandora im Sinne einer Regionalisierung der EU öffnet. Die USA würden in beiden Fällen strategisch profitieren, womit es auch legitim ist zu erörtern welches von beiden Szenarien Washington bevorzugen würde. Wenn nichts desto trotz das zweite Szenario in Kraft treten würde, welches Trump aufgrund seines ideologischen Hintergrundes befürworten könnte, dann würde dies eine kontinentale Spaltung zwischen Ost und West sowie Nord und Süd bedeuten.
Um zu erklären, was der ehemalige Verteidigungsminister der USA als „Neues Europa“ bezeichnete, muss man nur auf die viel eurobesorgteren Staaten der ehemaligen kommunistischen Länder Polen, Ungarn, Slowenien und Slowakei blicken, welche mit vielleicht sogar einigen anderen Ländern gegen den Westen des „Alten Europas“ eine Reform des EU-Blocks erreichen könnten.
Wenn sich aus welchem Grund auch immer Frankreich nicht diesem Prozess anschließt, etwa wenn die zukünftige rechtsgerichtete Präsidentin genauso wie Griechenlands linksgerichtete Syriza als Anti-Establishment Schwindel entpuppen sollte, dann würde die Ost-West Spaltung entscheidend vertieft werden. Genauso käme es zu einer Spaltung wenn Frankreich auf die Seite der Anti-Establishment Rechten wechseln und eurobesorgte Reformen innerhalb der EU einleiten würde. Dadurch würde es auf Kriegsfuß mit dem neoliberalen Deutschland stellen, wodurch die beiden Leitwölfe Europas sich in den Kontinent in Einflusssphären aufteilen würden. In diesem Szenario würde Frankreich sowohl Ost- und Südeuropa an sich binden, wohingegen Deutschland Zentral und Nordeuropa (Skandinavien) für sich vereinnahmen würde.
Gefahren an der Peripherie
Die Inneren Turbulenzen der EU treten bedrohlicherweise in einem Moment auf, in dem es zu einer gesteigerten Bedrohung an ihrer Peripherie, genauer gesagt an den östlichen, südöstlichen und südlichen Rändern des Blockes kommt. Zunächst haben wir Kiews Krieg im Donbass, der von den USA unterstützt wird und das Potenzial hat jederzeit zu einem heißen Konflikt zu werden. Daraus könnte ein Totaler Krieg folgen, also eine Auseinandersetzung die beide Seiten bis zur endgültigen Vernichtung des Gegners führen würden. Man kann nicht vorhersagen, ob diese Prophezeiung eintreffen wird oder ob es wie bei den zwei vorhergehenden Gewaltausbrüchen bei einem regional beschränkten Konflikt bleiben würde. Aber im Falle einer Eskalation der Gewaltspirale würde die EU ihre Visafreiheit mit der Ukraine bereuen. Denn dann könnten ihre östlichen Mitgliedsstaaten im Falle eines ungünstigen Ausganges des Konfliktes für Kiew mit Flüchtlingen und Naziinfiltratoren überschwemmt werden. Dies könnte zu unilateralen Aktionen seitens der eurobesorgten Regierungen Polens, der Slowakei und Ungarns führen, indem diese ihre Grenzen mit der Ukraine schließen, so wie Ungarn dies gegenüber Serbien als Reaktion auf die Einwanderungswelle tat. Auch dadurch könnte es zu einer verstärkten Spaltung zwischen Ost und West mit den neoliberalen Totalitaristen in Brüssel und Berlin kommen.
Die nächste vorhersehbare Krise wäre also folglich eine Kettenreaktion in allen Balkanstaaten. Der Autor hat diese Szenarien genaustens in seiner Hybrid Kriegsstudie auf der Seite Oriental Review dargelegt, sie könnten dazu führen, dass der geopolitische Revisionismus der Vereinigten Staaten, der auf die Republik Srpska, Serbien und die Republik Mazedonien abzielt, also den sogenannten Zentralbalkan,abgeschwächt werden würde. Das NATO-Mitglied Kroatien wiederum erlebte während der letzten Jahre eine Wiedergeburt der Ustaschaideologie aus der Nazizeit welche den Frieden mit Serbien zu gefährden droht, ganz zu schweigen von dem dysfunktionalen Arrangement im gemeinsamen Nachbarland Bosnien. Die „Zentral“ Regierung dieses Landes arbeitet eng mit den USA und Kroatien zusammen um in einem verfassungswidrigen Prozess die Autonomie der Republik Srpska abzuschaffen. Das Einsickern von „heimkehrenden“ IS-Kämpfern könnte der unvorhersehbare Auslöser für einen erneuerten Bürgerkrieg sein, indem es abermals zu einer Intervention der NATO (USA-Kroatien) und den Golfstaaten kommen würde.
Diesbezüglich droht der Republik Mazedonien die Wiedergeburt des geopolitischen Zombies „Großalbanien“ aus der Nazizeit, dass auch Teile Serbiens und Montenegros fressen könnte. Interessanterweise hat sich das Council on Foreign Relations für diese beiden in enger Verbindung stehenden Szenarien stark gemacht.
Schlussendlich wäre die letzte potenzielle Krise, welche die Stabilität der EU beenden könnte, die Gefahr einer weiteren Terror und Einwanderungswelle aus Nordafrika. Die Region befindet sich bereits seit dem desaströsen Nachspiel des NATO Kriegs in Lybien in einer angespannten und verzweifelten Situation. Dieser hat das einst einzig wohlhabende Land in der Region in eine buchstäblich von Terroristen und Menschenhändlermilizen dominierte Hölle verwandelt. Der zentral gelegene Staat in Nordafrika ist bereits jetzt ein Exporteur menschlichen Leids in die EU, egal ob in der Form von Terroristen und/oder illegalen Einwanderern, welche von den Medien massentauglich als „Flüchtlinge“ bezeichnet werden. Aber seine Rolle und die seiner Nachbarn könnte exponentiell steigen im Falle eines Überschwappens der Gewalt in Lybien über seine Grenzen. Zum Beispiel wird Ägypten gelegentlich zum Opfer des Terrorismus der Muslimbruderschaft, während Algerien, trotz seines Daseins als beindruckend sicherer Staat und seiner Geschichte als eines jahrzehntelangen salafistischen Bürgerkrieges in den 1990ern, explodieren könnte wenn sein „Tiefer Staat“ (Stehendes Heer, Geheimdienst und diplomatische Bürokratie) nicht dem zentralasiatischen Modell eines geordneten politischen Übergangesrderly nach dem möglichen Tod seines kränklichen Präsidenten Bouteflika folgen würde. Ein zweiter salafistischer Bürgerkrieg in der dichtbesiedelten Küstenregion Nordalgeriens könnte automatisch zur unkontrollierten Auswanderung von Millionen Terroristen-Flüchtlingen (welche nicht notwendigerweise immer, aber oft das Selbe sind.) nach Westeuropa führen und damit der EU den Todesstoß versetzen.