Erotismus und Imperialität
Erotismus und Imperialität
Die Sexualität als ideologischer Kampfplatz
von Alexander Dugin (Übersetzung von Martin Schwarz)(aus: Sleipnir, 1/98)
Russland erlebt gerade eine Situation, die nicht nur von der Entgegensetzung zwischen verschiedenen politischen und ökonomischen Gesichtspunkten, zwischen den unterschiedlichen, durch die Zugehörigkeit zu einzelnen Volksgruppen, zu sozialen Kategorien oder spezifischen Kulturen, diktierten Orientierungen charakterisiert ist, sondern auch vom grundlegenden Gegensatz zweier fundamentaler Ideologien, von zwei Weltanschauungen, die jeden umfassen, unabhängig von den anderen Schattierungen und Färbungen. Es ist nicht einfach eine Frage der entwickelten Weltanschauungen, die ihren klaren intellektuellen Ausdruck in einer konkreten politischen Lehre gefunden hätten, sondern von gewissen "metaphysischen Wurzeln", die ausschlaggebend für die Basis dieses oder jenes menschlichen Typs sind. Wenn man früher vom "Klassengegensatz" gesprochen hat, scheint es heute angebrachter zu sein von einem "Gegensatz des Typus" zu sprechen, des Kampfes zwischen zwei archetypischen Modellen, die unsere Gesellschaft zwischen "uns" und den "anderen", die "nicht-wir" sind, teilt.Dieser Kampf der Typen manifestiert sich am häufigsten im Gegensatz von "Patrioten" und "Kosmopoliten", "Männern der Scholle" und "Westlern", "Traditionalisten / Fundamentalisten" und "Progressiven / Demokraten", "Eurasiern" und "Atlantikern", usw..
Dieser Kampf transformiert auf seinem Schlachtfeld nicht nur die politische und ökonomische Sphäre, die parlamentarischen Debatten und die Manifestationen auf der Strasse, sondern auch das kulturelle Ganze, den Stil des privaten und sozialen Lebens. Und dies stellt auch die intimste Sphäre der menschlichen Innenwelt in den Bereich der von dieser ideologischen Opposition gebildeten Realität. Ein klarer Beweis dafür, daß in diesem Fall die Frage des spirituellen Konflikts die grundlegende ist, der in seiner Bedeutung die politischen und sozialen Gegensätze weit hinter sich lässt.In dieser Sphäre sind die Rollen in einer klaren und homogenen Weise verteilt. Die "Patrioten" symbolisieren die "Abwehr", die "Komplexe", die "Scham", den "Moralismus" (mitunter auch die "Heuchelei", das "Pharisäertum"). Die "Westler" repräsentieren die "Emanzipation", die "Schamlosigkeit", die "Zügellosigkeit", die "Pornographie", die "sexuelle Freiheit". Nichts Unvorhergesehenes in dieser Opposition, daher läuft auch jede kulturelle Diskussion zwischen der "Rechten" und der "Linken" praktisch immer auf die gleiche Art ab.Wenn wir die Debatte über die "sexuelle Frage" in unserer Gesellschaft analysieren, ist es leicht festzustellen, daß es einzig die Entlarvung des latenten "Komplexes" der "Patrioten" oder der "verdeckten Pornographie" der "Demokraten" ist, die das entscheidende Argument zwischen den Streitenden ist, dies genügt, um den ideologischen Gegner zu diskreditieren. Für uns reicht dieser Gesichtspunkt hingegen aus, um die totale Inkompetenz beider Seiten zu enthüllen. Die Frage ist viel zu ernsthaft, um sie auf die Kategorien des "Komplexes" (der "Scham") und der "Verkommenheit" (der "Emanzipation") zu reduzieren. Ohne die Wahrscheinlichkeit dieser Bestimmungen in Zweifel zu ziehen, werden wir uns damit nicht zufrieden geben und darauf bestehen, daß sie keineswegs als Antworten genügen können. Es sind immer Fragen notwenig, um eine vertiefende Untersuchung vorzunehmen. Was taugt der "patriotische Komplex" für die "sexuelle Frage"? Was ist der wirkliche theoretische Sinn der "sexuellen Emanzipation" der "Demokraten"? Verbergen diese Feststellungen nicht die geheimen, wichtigeren und mächtigeren Kräfte als es die einfache individuelle Neigung der verschiedenen Personen und der zufällige Charakter ihres menschlichen erotischen Schicksals sind? Der Klärung dieser Fragen ist dieser Aufsatz gewidmet.
Erotik gegen Erotik
Führen wir einige Überlegungen an, um die Unangemessenheit des Erotismus und der "sexuellen Befreiung", die von den "Linken" verteidigt wird, zeigen. Im gegebenen Fall stützen wir uns auf die bewundernswerte Untersuchung von Julius Evola mit dem Titel Metaphysik des Sexus. Dieses Werk stellt eine bemerkenswerte Sammlung von statistischen, mythologischen und medizinischen Material dar, in welchem außerdem das Problem unter einer weiten, authentisch metaphysischen Perspektive gestellt wird. Eine der fundamentalen Thesen von "Metaphysik des Sexus" ist, daß die "sexuelle Offenheit" der gegenwärtigen westlichen Gesellschaft, ihr erotischer Liberalismus, ihre Pornographie, eine Manifestation des sexuellen Verfalls darstellen, das Symptom einer desexualisierten Gesellschaft, eines sexuellen Verfalls und nicht der Ausdruck gesteigerter Erotik, der Jugend und Reinheit. Die Veräußerlichung des erotischen Typs, der Übergang von der Sphäre des konkreten sexuellen Aktes zu dem der mentalen Bilder, zur pornographischen Kultur, der erotisierten Öffentlichkeit, der Ausschmückung, usw. bezeugt nach Evola eine "sexuelle Entropie". Statisken aus Frankreich und den Vereinigten Staaten zeigen, daß die Toleranz der Gesellschaft gegenüber der "Pornographisierung" der Kultur gleichzeitig zu einer Abnahme der realen Sexualakte führt, zu einem demographischen Absturz und zu einer wirklichen "Entsexualisierung" der konkreten Personen. In der "sexuellen Revolution" sieht Evola nicht die "Rettung des Sexus", sondern die "Rettung vor dem Sexus", in dem Sinn, daß der "Veräußerlichung" des sexuellen Triebes das Bedürfnis zugrundeliegt, sich der inneren Spannung nicht durch "sexuelle Ausbreitung", durch die orgasmische Verausgabung des normalen sexuellen Aktes, sondern durch eine langsame und graduelle Entropie, einen permanenten Ausfluß der sexuellen Energie, zu entledigen.Man kann die von Evola im Verlauf einer minutiösen Analyse der gegenwärtigen westlichen Erotik gezogenen Schlußfolgerungen so formulieren: die sexuelle Befreiung verweist nicht auf die Fülle des Sexus, sondern auf seinen Mangel; sie ist keine Befreiung, sondern eine neue Sklaverei, eine noch erschreckendere als jede frühere es gewesen ist.Metaphysik des Sexus von Evola untersucht auch einen anderen Aspekt der westlichen "sexuellen Befreiung". Evola bemerkt in der Tat, daß die globale Spannkraft der westlichen Erotik immer mehr "feminin" wird, sprich "matriarchal". Entsprechend der Konzeption Evolas ist die männliche Erotik charakterisiert von der rigorosen Bestimmtheit des Triebes, des Wachstums der inneren Spannung, des Bedürfnisses nach einer heftigen und "traumatischen" Vollendung, des Höhepunkts. Dieser "phallische" Typus klassifiziert nicht nur alle normalen Männer, sondern auch, in seiner Gesamtheit, einen Typus der männlichen Spiritualität, den Typus der "solaren", heroischen und patriarchalen Kulturen.Die "matriarchale / feministische" Erotik besitzt den entgegengesetzten Charakter: ihr ist die Permanenz des "mentalen erotischen Rausches" eigentümlich, die Abwesenheit der erotischen Konzentration, die Andauer und Regelmäßigkeit der inneren Spannung, die Abwesenheit von Scham, die Verallgemeinerung der "weiblichen Melancholie", die immer unbefriedigt bleibt. In dieser matriarchalen Kultur, die charakteristisch für eine große Zahl von antiken Völkern war, erkennt man die Tendenzen zur rituellen (oder symbolischen) Kastration des Mannes, zu seiner Verwandlung in eine Hilfskraft, eine Nebensache, nur dazu berufen, das erotische Verlangen der Großen Mutter zu befriedigen. Evola stellt genau eine solche Vorherrschaft der "feministischen", lunaren Aspekte in den Schlüsselthemen der "sexuellen Revolution" des Westens fest; eine Vorherrschaft, die ihm zufolge, von zahlreichen Fakten bestätigt wird: die unaufhaltsame Zunahme der Homosexualität, die Herausbildung eines exhibitionistischen Schönheitswettkampfes der Männer , die verfassungsmäßige Gleichstellung und Angleichung der Frauen und Männer, die eine offenkundige sexuelle Perversion des "Gesetzgebers" widerspiegelt.
Schließlich enthält der gegenwärtige sexuelle Liberalismus, nach Evola, einen letzten Aspekt, den verdächtigsten: die "Vermenschlichung des Sexus". Den sexuellen Trieb findet man als den heiligsten, den am meisten kosmischen und strategisch bedeutsamsten unter allen, die den Menschen gegeben sind. Daher erwägt Evola, daß der Sexus nicht das Objekt eines "Gesellschaftsvertrages" werden kann, sondern eine Sphäre der spontanen Sakralität bildet, wo freie und unergründliche Kräfte handeln, die niemand zu den profanen "Rechtsakten" zählen darf, wenn der Sexus nicht ganz einfach zugrunde gehen, degenerieren, "konditionell" umgeleitet werden soll. Es ist interessant anzumerken, daß in den skandinavischen Länder, in denen die Pornographie am umfassendsten legalisiert wurde, die "Entsexualisierung" ein allgemeines Phänomen geworden ist.
Alle diese Überlegungen zeigen uns, daß die Parteigänger der "Demokratisierung des Sexus" nicht von einer "erotischen Steigerung", sondern von "sexuellem Verfall" bewegt werden, von einem gewissen "feministisch / matriarchalen" Element, das in der Realität der sexuellen Impotenz, der Perversion oder des erotischen Unvermögens wurzelt. Darum wirkt die offene Propaganda für den hüllenlosen, demokratischen, allen zugänglichen Erotismus wie eine Impfung gegen den Sexus, und die Position der "Demokraten" ist - so oder so - mit einer bestimmten Form der sexuellen Entartung verbunden.Eine schnelle Analyse der "Metaphysik der Pornographie" genügt auch, um festzustellen wie doppeldeutig die Positionen der "Befreier" sind und auf welchen finsteren und archaischen Prinzipien die vollkommen glänzende Idee der "sexuellen Befreiung" im übrigen aufbaut.
"Patrioten" und Erotik
Die Logik der anti-pornographischen Tendenz der "traditionellen Patrioten" bleibt immer dieselbe: sie opponieren nicht gegen die Erotik, sondern gegen ihre Veräußerlichung, Kollektivierung und Sozialisierung, ihre "Entfremdung". Die Frage, ob die "sexuelle Revolution" dem "sozialistischen" oder "kapitalistischen" Weg folgt ist dabei zweitrangig. Die "Rechten", weniger empfänglich für die politischen Slogans des Augenblicks als für den "überhistorischen" Archetypus, wenden sich mit gleichem Nachdruck gegen die "Sozialisierung" rein bolschewistischer Art der Frauen innerhalb des Weltproletariats (Lenins Theorie vom "Schluck Wasser") wie gegen den bourgeoisen Handel mit dem Körper, die organisierte Prostitution, die sich nicht im Primat der Politik über die Ökonomie gründet (wie im Fall des Bolschewismus), sondern im Primat der Ökonomie über die Politik. Die Traditionalisten und Fundamentalisten, unabhängig von ihren religiösen, nationalen und weltanschaulichen Besonderheiten, bestehen in der Frage des Sexus einheitlich auf dem inneren Widerspruch des erotischen Triebes und seiner Sakralisierung. Im Grenzfall zeigt dies eine totale Neuorientierung des Sexus in der spirituellen Sphäre durch die asketischen und initiatischen Praktiken.
Es ist notwendig zu unterstreichen, daß die mystisch-religiösen Fundamentalisten keineswegs die einzigen sind, die darauf bestehen, daß die Erotik aus der "kollektiven Zirkulation" herausgehalten wird, und auf ihre intime und rein innerliche Stellung bestehen. So seltsam es auf den ersten Blick erscheint: im gegebenen Fall ist der Asket solidarisch mit dem Libertin, dem Don Juan, der seine Virilität, seine "phallische" Qualität auf einer horizontalen Ebene verwirklicht, der den solaren Weg nicht in der Sphäre des Geistes, sondern des Körpers einschlägt. Daher ist es psychologisch erklärbar, daß sich der Don Juan, als erotischer Typus, nach seinem eigenen Maßstab selbst als totalen Überwinder des weiblichen Geschlechts verstehen kann. Durch den konkreten Sieg erreicht er die überlegene männliche Freiheit und bestätigt seine Überlegenheit. Der Donjuanismus beinhaltet unausbleiblich ein Element der "Askese", des "Unterdrückens des Gefühls" und der Überschreitung des Menschlichen. Er wird als Typus daher unmöglich in einer pornographischen Gesellschaft, mit ihrem zentralen Kult der "entfremdeten" und "sozialisierten" Frau, ihrer "juristischen und vertragsmäßigen" Erotik, ihrem "Feminismus" und ihrer "Humanisierung". Und es ist nicht erstaunlich, daß diese Gestalt in der gegenwärtigen Kultur vollkommen verschwunden ist und ersetzt wurde durch ein muskulöses und infantiles Tier à la Rambo, den amerikanischen Filmproduktionen entsprungen, der um seinen "menschlichen" Charakter zu beweisen, sich obligatorisch vor seiner "Mama" beugen und sich als gutes Kind beweisen muß.Die patriotische Erotik ist patriarchal: der Mann bildet den prinzipiellen und essentiellen Pol. Die Funktion des Prinzips des Lichtes, der Sonne und des Geistes übt er aus durch die Freude seines Selbstgenügens und seiner Fülle, er spiritualisiert, verwandelt und durch das Mysterium der Liebe löst er die Frau los von den natürlichen Banden der Materie, des Mondes und der Nacht. Die traditionellen patriarchalen Strukturen, die alten wie die modernen, zeichnen sich immer durch den Geist der Konstruktion, der Kreativität, der Produktivität und der Fülle in den verschiedensten Gebieten des Lebens aus.Es ist weiters aufschlußreich, daß die reinsten kulturellen patriarchalen Formen im allgemeinen keine erotische Symbolik kennen. Nicht nur, daß man keinen Kult der weiblichen Geschlechtsorgane, der Großen Mutter, findet, sondern man verehrt auch nicht den Phallus. Eine solche phallische Veräußerlichung bezeugt vielmehr die erotische Armut, die diese oder jene antike Kultur zu Beginn ihrer Dekadenz zeigt (siehe die Arbeiten von Prof. Herman Wirth, besonders "Der Aufgang der Menschheit" und "Die Heilige Urschrift der Menschheit"). Das wirkliche Patriarchat besteht im Kult, der dem Geist gewidmet ist, der transzendentalen Kraft, deren Besitz den Mann auszeichnet und ihn zum Träger einer sakralen Energie macht. Im Zusammenhang dieses Systems kann man sagen, daß die Gestalt des Asketen nicht kontradiktorisch, sondern ergänzend zu jener des Don Juan ist. Der erste durchbricht die spirituelle Kraft "von unten nach oben", der zweite verteilt "von oben nach unten", bei beiden die Meisterschaft vorausgesetzt. Daher findet man im Zentrum der patriarchalen Sakralität die Hierogamie, die heilige Vermählung des Kaisers, Zaren, Caesars, insofern er die höchste Verkörperung des männlichen Prinzips ist, mit der Kaiserin, der Mutter Erde, bei der sich das Licht der himmlischen und göttlichen Energie ergießt und vom ersten Paar unter den Menschen bewahrt wird, als erotischer Pol, als heiliges Zentrum der Kultur.Die "Legalisierung" des Erotismus ist immer nur der ersten Schritt der Kastrierung des Mannes, der Degenerierung des Sexus bis auf das Niveau der mentalen Entropie, der Vernichtung jener großen Spannung, die die menschliche Kreatur die Mysterien des heiligen Seins, die höchsten Probleme der Ontologie berühren läßt. Es ist genau das intuitive oder bewußte Verständnis dieser Grenzen und ihrer Entsprechungen, der inneren Teilhabe an einem maskulinen Typus der Erotik, patriarchal und "phallozentrisch", der die verschiedenen "Rechten", unabhängig von ihren sonstigen Positionen, zwingt, sich im Kampf zu vereinen gegen die "Pornographisierung", die "sexuelle Befreiung" und die "sexuelle Revolution" in der Gesellschaft.Die "Rechten" kämpfen nicht gegen den Sexus sondern für ihn, für seine intim aggressive, innerliche, solare, phallozentrische und patriarchale Version. Das wird klarer Weise jenen nicht gefallen, die sich einer Sexualität des demokratischen Typs verschrieben haben, denn die "matriarchale" Kategorie der erotischen Organisation ist in der Tat grundlegend unvereinbar mit der "patriarchalen", wie die Schwäche mit der Stärke unvereinbar ist, das Unvermögen mit dem schöpferischen Elan, der "Feminismus" und die "Päderastie" mit der Strenge des Asketen oder der Härte des Libertin.
Die Imperialität als erotische Kulmination
Die Sphäre der Spezifikation der verschiedenen erotischen Typen ist auch mit einem heute extrem schmerzhaften und kritischen Thema verbunden: der Struktur des Staates. Es ist völlig klar, daß der schöpferische Trieb des Volkes und der Nation sich im Staat inkarniert. Wenn dieser Impuls stark und frisch ist, wird der Staat alle Symptome der Stabilität und der Prosperität aufweisen; wenn er matt ist, wird der Staat instabil werden und zur Desintegration neigen. Es ist unbestreitbar, daß die erotische Qualität der Nation sich in diesem Bereich in gleicher Weise spiegelt.Von der Tradition wird das Imperium immer als ein Ergebnis der Hierogamie, der Hochzeit zwischen Himmel und Erde betrachtet. Das himmlische Prinzip inkarniert sich im Regenten, dem Herrscherhaus, dem "Sohn des Himmels", dem Gesalbten; das tellurische Prinzip im unbegrenzten Territorium, auch im Volk, daß es bewohnt. Die Herausbildung eines von Grund aus imperialen Erotismus bestimmt im vorhinein einen besonderen Typus des Bewußtseins. Für dieses charakteristisch ist das Verständnis der unerreichbaren Höhe des Herrschers (im Neunzehnten Jahrhundert beteten die einfachen Bauern noch vor dem Bild des Zaren wie vor einer Ikone) einerseits und der unendlichen Weite des imperialen Territoriums andererseits. Dies zeigt, daß die imperiale Erotik offenkundig makrokosmisch, global, kontinental und sogar planetarisch ist.Die Besonderheit der imperialen Sexualität ist vor allem, daß sie die Qualität der Totalität des Sexus zum Ausdruck bringt, die Tiefe seines Mysteriums, das Konkrete seiner Magie. Das maskuline Bewußtsein der Erbauer der Imperien verbindet sich mit ihrer Wahrnehmung als "Söhne des Himmels", "Söhne des Lichtes", als heilige Gründer und Erwählte der spirituellen Ordnung.Das feminine Element ist auch totalisiert, aber mehr in die Weite als in die Tiefe: die Frau wird zum Synonym des weiten Raumes und der großen imperialen Geschlechter. Die einzigartige und besondere Hierogamie des Zaren mit seinem Imperium wiederholt sich auch auf der Ebene aller imperialen Völkerschaften, wo jeder Mann ein "Sohn des Himmels" und "Imperator" ist, und jede Frau die "Große Erde", Personifikation des "imperialen Geschlechts".Rußland war eines der letzten Imperien, das über eine längere Zeit als andere Staaten eine von Grund auf imperiale Erotik bewahrt hatte. Dies vollzog sich trotz der äußeren Desakralisierung seiner Staatsform und des Sieges der anti-imperialen Ideen und Organisationen. Die makrokosmische Erotik der Russen - die Russen hier im imperialen Sinne und nicht nur national verstanden - erwies sich als viel tiefer liegend als die monarchische Struktur oder die orthodoxe Konzeption des Heiligen Rußland, jedoch hatte sich die kontinentale Erotik in diesen Formen am vollständigsten, natürlichsten und organischsten manifestiert. Aber der internationalistische Bolschewismus der Zwanziger Jahre, von Grund aus anti-imperial, sozial-sexuell, anti-heroisch und matriarchal, machte Platz für den stalinistischen Imperialismus, der sicherlich in einer grotesken und parodistischen Weise, aber nichtsdestoweniger in einem gewissen Maße "verwurzelt" war, und sich gezwungen sah, auf die Gewalt und das Absurde zurückzugreifen, um die tiefe erotische Lust der imperialen Nation zu verwirklichen, die sich den Weg bahnte über das ideologische Lager der Linken, der Inhaberin des Monopols des Terrors und der absoluten Macht. Eine solche Allianz trägt indessen von Anfang an Elemente in sich, die nicht verhindern konnten, daß das "sowjetische Imperium" in den Zusammenbruch geführt wurde. Denn wenn man sich die Tiefe der Verwurzelung der imperialen Erotik vergegenwärtigt und wenn man den Punkt, in dem sich der makrokosmische imperiale Eros vom gewöhnlichen, rein menschlichen Sexus unterscheidet, ins Auge faßt, dann erscheint es völlig klar, daß diese Realität nicht mit dem alleinigen Mittel des Dekrets erreicht werden kann.Die imperiale Erotik zu zerstören ist unvergleichbar schwieriger als das Imperium selbst zu zerstören, so wie die tiefsten Schichten des Unbewußten viel empfindlicher für Hypnose als für rationale oder pseudo-rationale Überzeugungen sind.Die traurige Geschichte der kommunistischen Idee in unseren Ländern bezeugt zur Genüge, daß sie sich nicht bei uns akklimatisieren konnte: wir sind zu organisch, spontan und lebhaft für sie.Die russischen "Patrioten" sind charakterisiert durch die Tatsache, daß ihr erotisches Programm, ob es ihnen bewußt ist oder nicht, völlig makrokosmisch, planetarisch ist, die alten und tiefen Energien einer großen imperialen Rasse invoziert. Wenn die deutlich im Gegensatz zu unseren imperialen Erotik stehenden Repräsentanten der alternativen und kosmopolitischen Kräfte diese Ebene berühren, laufen sie Gefahr Konflikte hervorzurufen.Derjenige, der die Funktionslogik der großen erotischen Energien kennt, kann leicht voraussehen, daß die Vorkämpfer der "Menschenrechte", Fremde auf diesem Gebiet, früher oder später der aggressiven Erotik der imperialen Ethnien zum Opfer fallen werden, und daß sie sich dann zwischen den "Söhnen des Himmels" und der "Großen Erde" wiederfinden werden, wenn sie das Unglück haben, sich in das Mysterium der russischen Hierogamie einzumischen. Das Schicksal ihrer Vorgänger zeigt dies mehr als deutllich.
Schluß
Wir haben uns in unserer kurzen Abhandlung bemüht, einige der grundlegendsten Faktoren hervorzuheben, die in jenem Maß an Aktualität gewinnen werden, in dem wir anfangen die Dinge beim Namen zu nennen. Und wenn heute, in den Fragen der politischen Intrigen, der sozialen Transformationen, des ökonomischen Abstiegs, der nationalen Kämpfe, die unser Vaterland erschüttern, die professionellen Politiker Schwierigkeiten haben sich zurechtzufinden, so bilden doch die spezifischen erotischen Charaktere des einen oder anderen Typs die organische Demarkationslinie, die auf natürliche Weise die "unseren" von den "nicht-unseren" unterscheiden. In einer solchen Situation, ist es vielleicht am wichtigsten auf die innere Energie des Blutes zu zählen, auf die Stimme des "Kontinents Rußland", der uns in seiner Tiefe erwartet. Daraus folgt, daß der Erotismus die wirkliche Wahl darstellt, die nicht in unserer Disposition steht, jedoch in endgültiger Weise über unsere Kraft und unsere heilige imperiale Rasse entscheidet. Es ist diese innere Tiefe unserer nationalen Seele, die es ermöglicht, daß sich dieser Impuls erhebt, der uns jenseits der Unterschiede der Klassen und der politischen Divergenzen in der großen Tat einer neuen imperialen Konstruktion eint. Es existieren keine Hindernisse für den, der tatsächlich will und kann.