Erste deutsche Opfer durch Rußland-Sanktionen
Mit dem erklärten Ziel, den Kreml in Sachen Ukraine zum Nachgeben zu bewegen, entfalten die gegen Russland gerichteten Sanktionen inzwischen auch in der EU zunehmend eine vergiftende Wirkung.
Unübersehbar sind die negativen Rückwirkungen der Sanktionen auf die deutsche Wirtschaft. So ist bereits Ende März ein Unternehmen in die Insolvenz gegangen, das bislang als ein Beispiel der immer noch zu rar gesäten erfolgreichen Mittelständler in den Neuen Bundesländern galt. Mit einem Exportanteil von 90 Prozent, sind der Vakoma GmbH, deren Firmentradition bis 1869 zurückreicht, die EU-Sanktionen gegen Russland zum Verhängnis geworden. Erst vor einem Jahr hatte der Maschinenbauer in Magdeburg einen neuen Standort eröffnet und dafür rund 15 Millionen Euro investiert.
Der gestellte Insolvenzantrag passt zu der düsteren Zwischenbilanz, die vor Kurzem die deutsche Exportwirtschaft in Sachen Russland ziehen musste. Im Januar hat Deutschland über ein Drittel weniger nach Russland exportiert als noch ein Jahr zuvor. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes betrug der Wert der deutschen Exporte nach Russland im Januar nur noch knapp 1,44 Milliarden Euro, das sind fast eine Milliarde Euro oder 35,1 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Damit hatten selbst die Experten vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nicht gerechnet. Sie hatten ein Minus von maximal 15 Prozent veranschlagt.
Dieser drastische Rückgang der deutschen Exporte nach Russland wird nur zum Teil auf die Sanktionen zurückgeführt. Denn nicht nur wegen dieser Strafmaßnahmen steckt Russland in einer Rezession, und der Rubel hat stark an Wert verloren. Beides hat zu einem Kaufkraftverlust bei russischen Abnehmern geführt und die Nachfrage nach deutschen Waren zusätzlich geschwächt.
Nichtsdestotrotz hat der rekordverdächtige Rückgang der Exporte gen Osten den Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft inzwischen veranlasst, von der Politik stärkere diplomatische Anstrengungen einzufordern. „Die politische Krise infolge des Ukraine-Konflikts schlägt voll auf die Wirtschaft und die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen durch.“ Für die Politik müsse das ein Signal sein, „die diplomatischen Bemühungen für eine rasche Entschärfung des Konfliktes weiter hochzuhalten“, so die Mahnung des Vorsitzenden des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes.
Zumindest auf absehbare Zeit stehen die Chancen für eine diplomatische Lösung allerdings schlecht. Bei einem Treffen in Brüssel haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs noch im März darauf geeinigt, die im vergangenen Jahr beschlossenen Maßnahmen gegen Russland im Juli 2015 nicht automatisch auslaufen zu lassen. Stattdessen wurde ein Ende der Sanktionen an die Umsetzung des Minsk-II-Abkommens gekoppelt. Mit dieser Entscheidung ist eine baldige Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland eher unwahrscheinlich geworden. Da der Zeitplan eine vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens bis frühestens Ende Dezember vorsieht, ist eine Lockerung der Sanktionen vor Jahresende nahezu ausgeschlossen.
Ob die in Minsk getroffene Vereinbarung eingehalten wird, hängt zudem nicht nur vom Kreml, sondern auch von der Führung in Kiew ab. Bisher wurde es vom Westen meist toleriert, wenn die ukrainische Führung sich nicht an Vereinbarungen hält oder zur Eskalation beiträgt. Sollte dies weiterhin so bleiben, dann hat es die ukrainische Regierung in der Hand, über eine Torpedierung der Minsker Vereinbarung eine Aufhebung der Sanktionen und eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland zu verhindern.
Auf die EU drohte dann früher oder später eine Zerreißprobe zuzukommen, die auf dem Brüsseler Gipfel Ende März noch einmal abgewendet werden konnte. Hinter den Kulissen zeichnet sich in der Sanktionsfrage nämlich eine tiefe Spaltung innerhalb der EU ab. Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel klar für eine Fortführung der bisher beschlossenen Sanktion positioniert hatte, wollten Polen und die baltischen Länder sogar eine Verschärfung. Zahlenmäßig sehr stark ist inzwischen aber auch die Fraktion derjenigen Staaten, die eine Aufhebung der Sanktionen wollen. Zu dieser Gruppe gehört Österreich, dessen Banken in Osteuropa und Russland stark engagiert sind, aber auch Italien, Spanien, Zypern, Tschechien, Ungarn und Griechenland. Der polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk, der mit den Balten eher zu den Scharfmachern in Sachen Sanktionen gehört, scheint inzwischen realisiert zu haben, dass sich für eine harte Linie in der EU nur noch schwer eine Mehrheit findet. Einem Bericht der Onlinezeitung „EUobserver“ zufolge soll es von Tusk deshalb im Vorfeld des Gipfels Überlegungen gegeben haben, die Entscheidung über Sanktionen lieber Berlin und Paris zuzuschieben.