Die Wunschkandidatin der Wall Street

30.04.2015

Ambitionen, der 45. Präsident der USA werden zu wollen, waren Hillary Clinton schon lange nachgesagt worden. Dass die Frau des 42. US-Präsidenten Bill Clinton nun offiziell verkündet hat, für die US-Demokraten ins Rennen um das Weiße Haus einzusteigen, hat in New Yorks Bankenviertel geradezu euphorische Gefühle aufkommen lassen.
Der Nachrichtensender CNN brachte es unlängst auf den Punkt. Die Wall Street ist bereit, für Clinton den sprichwörtlichen roten Teppich auszurollen. Ähnlich lautet die Einschätzung die, der ehemalige Chef der Bank UBS America, Robert Wolf, abgibt. Es herrsche „eine unglaubliche Begeisterung“ für die Kandidatur Clintons. Die Banker, die 2012 auf Mitt Romney gesetzt hatten, würden nun ins Clinton-Lager umschwenken, mit dem sie seit Bill Clinton sehr gute Erfahrungen gemacht hätten. „An der Wall Street kann Clinton auf eine unglaublich feste Basis zählen“, so Wolf, der lange als Obamas „BFF“, best friend in finance, galt. Dass nach Einschätzung des Insiders Wolf sechs von zehn Wall-Street-Bankern auf der Seite der Demokraten stehen, während nur drei republikanisch und nur einer parteiunabhängig wählen, und der Name Clinton im Finanzsektor fast nostalgische Gefühle weckt hat gute Gründe. Mit dem US-Präsidenten Bill Clinton haben die Banken sehr gute Erfahrungen gemacht. Als Symbol für diese Ära kann Robert Rubin gelten. Nach Jahrzehnten bei der Investmentbank Goldman Sachs avancierte er unter Bill Clinton zum Finanzminister. Die Demontage der Trennwand zwischen dem Investment- und dem traditionellen Kundenbanking geht auf Rubin zurück und legte den Boden für einen Boom an der Wall Street, der mit dem Kollaps von 2008 ein fatales Ende fand.
Clinton verdankt ihre Unterstützung durch die Wall Street allerdings nicht nur ihrem Ehemann und ihrer gemeinsamen Partei. Zu ihrer Zeit als Senatorin für den Bundesstaat New York wurde sie von der Öffentlichkeit über fast ein Jahrzehnt als politische Repräsentantin nicht nur der Millionen-Metropole, sondern auch der Wall Street wahrgenommen. Auch im Jahr 2008, während ihres letzten Anlaufs zu einer Präsidentschaftskandidatur für die Demokraten, war das gute Verhältnis der Politikerin zur Bankenbranche kaum zu übersehen.
Kritiker werfen in diesem Zusammenhang Clinton vor, sie habe mehrfach im Gegensatz zu vorausgegangenen Beteuerungen für die Interessen der Finanzbranche gestimmt. Im Jahr 2001 stimmte sie etwa für ein Gesetz, das Banken mehr Rechte beim Konkurs von Kunden zugestehen sollte, obwohl sie sich vorher als First Lady an der Seite Bill Clintons deutlich gegen eine vergleichbare Gesetzesvorlage ausgesprochen hatte. Auch als es auf dem Höhepunkt der Finanzkrise darum ging, Banken mit Geld der US-amerikanischen Steuerzahler zu retten, votierte Clinton für den sogenannten Bailout (englisch: aus der Klemme helfen). Angemerkt wurde inzwischen ebenso, dass Clinton regelmäßig Abstimmungen in Sachen Finanzbranche verpasste, wenn eine eindeutige Stellungnahme politisch nicht opportun schien.
Das gute Verhältnis zur Wall Street und die Unterstützung durch die Bankenbranche könnte sich während des Rennens um das Weiße Haus zu einem Problem für Clinton entwickeln. Für linksliberale Kritiker innerhalb der Demokratischen Partei liefert die Nähe der Kandidatin zur Wall Street gute Argumente im innerparteilichen Machtkampf. Konkurrenten wie der ehemalige Gouverneur von Maryland Martin O’Malley haben sich klar für strengere Regeln für die Finanzbranchen ausgesprochen. Clinton könnte damit ein heikler Balanceakt im Wahlkampf bevorstehen. Einerseits muss sie den linksliberalen Flügel der Demokraten und auch die Wähler überzeugen, indem sie Distanz zu den Banken demonstriert. Auf der anderen Seite dürfte die Wall Street aber auch Erwartungen haben, wenn sie großzügig für die Kandidatin spendet – und das tut sie, wie ein Blick auf die aktuelle Spenderliste Clintons sehr offenbart. Fünf der zehn Top-Financiers Clintons sind Wall-Street-Banken, und zwei sind Wall-Street-Anwaltskanzleien. Citigroup und Goldman Sachs bilden die zwei stärksten Fundamente der Kandidatur Hillary Clintons.

Quelle: Norman Hanert, Preußische Allgemeine Zeitung