Yukio Mishima - Die Geständnisse seiner Masken
Paul Schraders Film über Yukio Mishima ist ein Drama der Maske. Nicht ein Drama mit Masken, sondern über die Masken. Wir kennen Nietzsches Ausspruch aus „Jenseits von Gut und Böse“: „Alles, was tief ist, liebt die Maske.“ Und Mishimas erster Roman, welcher ihm sowohl in Japan als auch im Rest der Welt große Bekanntheit verschafft hat, trägt bekanntlich den Titel „Geständnisse einer Maske“. Wer war dieser Yukio Mishima also? Ein Schriftsteller, ein Künstler und Regisseur, ein Japaner, ein Soldat und Krieger, ein Schauspieler, ein Narzisst, ein Homosexueller, ein Bodybuilder, ein Nationalist, ein Intellektueller und Décadent, ein Europäer, ein Radikaler, ein Einsamer, ein Selbstmörder, einer, der ewig leben wollte. Mishima war Maske. Was der Sinn dieser Maske ist, und gar nicht so sehr was sie verbirgt, darum geht es in diesem Film.
Und wie wir auch im Film sehen werden, war Mishimas Leben, und genauso sein literarisches Werk, geprägt von den verschiedensten Obsessionen; Von Bildern und Ideen, die er wiederholt in seinem ganzen künstlerischen Schaffen evoziert hat. Eine dieser Obsessionen war die Vorstellung sich dem Seppuku zu unterziehen, also dem rituellen japanischen Selbstmord, bei dem der eigene Bauch aufgeschnitten wird. In einem seiner späten Interviews spricht er über den wesentlichen Unterschied in der Bedeutung des Selbstmordes, beziehungsweise des Seppuku, zwischen dem Westen und Europa. Während der Selbstmord bei uns oft als Verlust, Resignation oder als Eingestehen des eigenen Versagens interpretiert wird, hatte er in Mishimas Augen, und im Kontext der japanischen Kultur, eine andere Bedeutung. Er verstand den Seppuku als ehrenhafte und edle Handlung, welche die totale Hingabe an die eigenen Überzeugungen und das Festhalten an denselben bis zum Äußersten markiert.
Mishimas Todessehnsucht und seine wiederkehrenden Obsessionen mit Themen wie dem Zusammenspiel von Gewalt und Erotik, von Schönheit und Zerstörung, rücken ihn sicherlich in die Nähe der literarischen Dekadenz, beziehungsweise des Ästhetizismus, oder etwa auch des Werkes von Georges Bataille, welche er alle stark rezipiert hat. Aber natürlich war er keineswegs nur ein japanischer Intellektueller nach westlicher Prägung; In seinen Werken tauchen beispielsweise wiederholt Anleihen und Ideen aus dem „Hagakure“ auf, also einem Sittenkodex für Samurai, ähnlich dem „Bushido“, aber aus dem 18. Jahrhundert. Eine der zentralen Ideen die Mishima diesem Buch entlehnt hat, ist die der Befreiung von der Todesfurcht; Also das Bestreben sein Leben so zu leben, als wäre der Tod nichts wert, und dennoch in ständiger Gegenwärtigkeit seines Eintretens zu sein, um damit auch der Angst vor dem Sterben den Einfluss zu nehmen. Solche Ideen nähern Mishima wiederum Denkern wie Ernst Jünger an, der in seinem „Waldgang“ ganz ähnliche Positionen vertritt. Und darüber hinaus ist ihnen auch die Bedeutung des Schmerzes als wertvolles Instrument zur Selbsterkenntnis und als Lebensprinzip ein Anliegen gewesen; Das aber nur am Rande.
Gerade in Mishima sehen wir uns also auch mit einem japanischen Denker konfrontiert, der die Einflüsse des Westens auf seine Nation, die kulturelle Unterwanderung und Modernisierung Japans seit der Meiji Zeit, welche später, besonders nach dem Ende des 2. Weltkriegs, ihren Höhepunkt erreichte, kritisiert hat und der im politischen Sinne für einen radikalen Rückbezug auf das Eigene, das Althergebrachte, Überlieferte stand. Überhaupt ist eine politische Einordnung Mishimas einigermaßen schwierig. Seine Kritik am japanischen Kaiser beispielsweise hat sich wohl eher auf die Person selbst, also auf die politische Umsetzung und Verwirklichung dieses höchsten Amtes, erstreckt; Nicht aber auf die Instanz des Kaisers an sich, denn Mishima hat sich wiederholt, bis zu und selbst mit seinem Tod dafür eingesetzt, dass dem Kaiser wieder die alleinige Herrschaftsgewalt in Japan zukommen sollte.
Weiters wollte Mishima sich selbst nicht nur als Denker, als Künstler oder Schriftsteller verstanden wissen. Im Gegenteil, zu einem gewissen Grad verabscheute er den reinen Intellektualismus, und strebte danach auch als Mann der Aktion zu gelten. Besonders im Film wird dieser Zwist von Verstand und Körper, von Kunst und Leben gut illustriert, wie wir sehen werden. In seinem Text „Sonne und Stahl“, der bisher leider noch nicht ins Deutsche übersetzt worden ist, spricht er sich also für ein „Lob der Tat“ aus, für eine Lebensführung, die stets aus dem Vollsten schöpft, nämlich aus der eigentlichen, eigenen Erfahrung, und nicht nur aus Büchern und Gedankenspielen.
An dieser Stelle möchte ich noch einige einleitende Bemerkungen zum Film an sich machen: Wie bereits der Titel andeutet, ist der Film in vier verschiedene Abschnitte unterteilt. Dabei stellen die ersten drei davon auch Adaptionen seiner literarischen Werke dar, und bemühen sich gleichzeitig, verschiedene Facetten und Aspekte der Person Mishima ins Zentrum zu rücken. Zum einen haben wir den einsamen und introspektiven Eigenbrötler, der auch ein „Obsessiver“ ist, den Protagonisten aus dem Roman „Der Goldene Pavillon“. Danach haben wir die Figur des narzisstischen Schauspielers aus Kyokos Haus, einem Roman, welcher wiederum selbst in vier Teile mit unterschiedlichen Protagonisten unterteilt ist, die alle ihren Autor spiegeln. Und der dritte Abschnitt fokussiert sich auf die Figur des Kriegers, des Revolutionären, des Mannes der Tat. Was es dann mit dem vierten Abschnitt auf sich hat, möchte ich an dieser Stelle noch offen lassen.
Mishima war Widerspruch; Aber noch mehr als das, er war die Vereinigung und die Unvereinbarkeit von Widersprüchen zugleich. Um noch einmal mit Nietzsche zu sprechen, die Maske „ist die Oberfläche der bewegten See, während sie in der Tiefe stürmt.“
Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Markovics