Wählerwanderungen: AfD profitiert von allen Parteien - CDU leidet
Es war das erwartete Wahl-Beben: Bei den Landtagswahlen am Sonntag wurden einige Parteien vom Wähler deutlich abgewatscht, davon profitieren konnte vor allem die AfD. Doch wem konnte die Partei die Stimmen abwerben? FOCUS Online zeigt die Wählerwanderungen in allen drei Bundesländern im Überblick.
Die Landtagswahlen am Sonntag waren mit Spannung erwartet worden. Sie galten als Lackmus-Test für die Politik der Bundeskanzlerin, außerdem wurde ein starkes Abschneiden der AfD befürchtet. Doch die größte Angst war, dass der Superwahlsonntag Deutschland verändern würde. Am Ende haben die Ergebnisse in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die deutsche Parteienlandschaft tatsächlich ein Stück weit durcheinandergewirbelt.
Die Grünen feiern einen historischen Wahl-Triumph in Baden-Württemberg, die SPD erkämpft sich einen überraschend deutlichen Sieg in Rheinland-Pfalz. Die Union erlebt eine Schlappe in beiden Ländern, bleibt dafür stärkste Kraft in Sachsen-Anhalt. Und die Alternative für Deutschland zieht aus dem Stand in drei Landesparlamente ein und wird drittstärkste, in Sachsen-Anhalt sogar zweitstärkste Kraft.
AfD konnte aus allen Parteien Wähler gewinnen, CDU größte Leidtragende
Ein Blick auf die Wählerwanderungen erklärt die Ergebnisse der Landtagswahlen. So zeigt sich unter anderem, dass sich Grüne und SPD in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gegenseitig die Wähler klauten. Der FDP gelang es in allen drei Bundesländern, vor allem der CDU Wähler abzuwerben.
Die CDU war ebenfalls größte Leidtragende der AfD und verlor in jedem der Bundesländer am meisten Wähler an die Rechtspopulisten. Doch es war nicht nur die CDU: Die AfD konnte aus allen Parteien Wähler für sich gewinnen – und viele Nichtwähler mobilisieren. Die Wählerwanderungen im Überblick.
1. Rheinland-Pfalz: SPD profitiert von den Grünen, die AfD von allen anderen
Zunächst ein Punkt, der für die Parteien in Rheinland-Pfalz erfreulich ist: Fast alle konnten Nichtwähler mobilisieren. Vor allem AfD, SPD und CDU konnten bei denen punkten, die bei der Landtagswahl 2011 zuhause blieben. Als einzige der größeren Parteien haben die Grünen hier eine negative Bilanz: Unter dem Strich verlor die Partei 11.000 Wähler, die am Sonntag lieber gar nicht mehr zur Wahl gingen.
Großer Gewinner der Wählerwanderung in Rheinland-Pfalz war die AfD: Sie konnte jeder einzelnen großen Partei – außer den Grünen – die meisten Wähler abluchsen. Laut ARD/infratest dimap gestaltet sich die Wanderung zur AfD wie folgt:
Nichtwähler: 77.000
CDU: 46.000
Grüne: 5000
SPD: 34.000
Linke 11.000
FDP: 8000
Sonstige: 43.000
Ein Großteil der heutigen AfD-Wähler (rund 34 Prozent) ging bei der letzten Landtagswahl 2011 gar nicht zur Wahl. Neben ehemaligen Nichtwählern machten viele frühere CDU- und SPD-Wähler am Sonntag ihr Kreuz bei den Rechtspopulisten. Kleiner waren die Anteile an Wählern, die von Grünen, FDP und Linken zur AfD überwechselten.
3,4 Prozentpunkte hat die CDU im Vergleich zur letzten Wahl in Rheinland-Pfalz eingebüßt. Den größten Teil an Wählern verlor die CDU dabei an die AfD. Außerdem verloren die Christdemokraten 13.000 Wähler an die FDP, die sie sich jedoch von der SPD wiederholen konnten. Auch viele Grünen-Wähler machten ihr Kreuz dieses Mal bei der CDU.
Die SPD verlor zwar 34.000 Wähler an die AfD sowie ein paar Tausend an CDU und FDP. Doch dafür konnte die Partei dem bisherigen Koalitionspartner, den Grünen, massiv Wähler abgraben: Satte 93.000 waren es – der größte Strang der Wählerwanderung in Rheinland-Pfalz.
Wie bitter die Wahlniederlage für die Grünen ist, zeigt sich auch bei der Wählerwanderung. Sie verlor durchweg an alle Parteien Wähler, konnte von keinem Lager unterm Strich welche hinzugewinnen. Interessanterweise bekam der sonstige Abstauber AfD davon mit nur 5000 Wählern noch den kleinsten Batzen ab. Offenbar sind die inhaltlichen Schnittmengen zwischen den Grünen und der AfD zu klein, als dass Wähler hier überwechseln.
Die Linkspartei verlor 11.000 Wähler an die AfD, machte das jedoch durch Zugewinne bei den Nichtwählern und Grünen-Anhängern wieder wett. Für den Einzug in den Landtag reichte es trotzdem nicht.
Ein interessantes Bild ergibt sich bei der FDP: Die Liberalen konnte aus allen Lagern Wähler hinzugewinnen, vor allem von den Nichtwählern, CDU- und Grünen-Anhängern. Trotzdem verlor die FDP 8000 Wähler an die AfD, die immer wieder ihr liberales Profil betont.
2. Baden-Württemberg: Grüne saugen SPD aus, CDU verliert an alle und besonders an AfD
Die Grünen sind der große Wahl-Sieger in Baden-Württemberg. Zu verdanken hat Winfried Kretschmann das auch zahlreichen Nichtwählern, die dieses Mal den Urnengang wagten.
Während in Rheinland-Pfalz die Grünen-Wähler in Scharen zur SPD flohen, war es in Baden-Württemberg genau andersrum: 160.000 frühere SPD-Anhänger wählten dieses Mal grün. Somit bestätigt sich, dass die Erfolge einer Regierung dem größeren Koalitionspartner zugeschrieben werden – und der kleinere in der Wählergunst verliert. Besonders bitter für die SPD: Sie verlor sogar ausnahmslos an jede Partei mehr Wähler als sie hinzugewinnen konnte.
Die Grünen hingegen konnten laut Infratest dimap auch viele CDU-Wähler überzeugen, bei ihnen das Kreuz zu machen. Es gab jedoch auch zwei Parteien, die dem Ministerpräsidenten Kretschmann Wähler abluchsen konnten: die FDP und vor allem die AfD (68.000).
Die Alternative für Deutschland ist der zweite Wahlgewinner in Baden-Württemberg. Laut ARD/infratest dimap gestaltet sich die Wanderung zur AfD wie folgt:
Nichtwähler: 207.000
CDU: 188.000
SPD: 88.000
Grüne: 68.000
Linke 22.000
FDP: 18.000
Sonstige: 151.000
Jede Partei – außer die SPD – verlor den größten Anteil an Wählern an die AfD. Vor allem Unionswähler wechselten zu den Rechtspopulisten. Die SPD verlor nach Hochrechnungen rund 88.000 Wähler an die AfD. Diese konnte auch 207.000 Nichtwähler an die Urnen locken, was dem größten Strang der Wählerwanderung im Ländle entspricht.
Recht einfach erklärt sich die CDU-Klatsche bei einem Blick in die Wählerwanderung: Sie verlor unterm Strich an jede Partei Wähler, außer an die SPD. Besonders viele von ihnen wählten am Sonntag neben AfD auch Grüne und FDP. Die Liberalen konnten außerdem bei SPD- und Nichtwählern punkten, verloren Teile ihrer Zugewinne aber gleich wieder an die AfD.
3. Sachsen-Anhalt: AfD mobilisiert Nichtwähler und wirbt überall Stimmen ab - auch in NPD
Mit einer starken AfD in Sachsen-Anhalt hatte man gerechnet, doch das Endergebnis mit deutlich über 20 Prozent und als zweitstärkste Partei hat viele schockiert. Die Rechtspopulisten trieben vor allem massiv Nichtwähler an die Urnen. Laut ARD/infratest dimap gestaltet sich die Wanderung zur AfD wie folgt:
Nichtwähler: 104.000
CDU: 38.000
Linke 29.000
SPD: 21.000
FDP: 6.000
Grüne: 3.000
Sonstige: 52.000
Die AfD konnte durchweg allen Parteien Teile der Wählerschaft abgraben. Vor allem bei CDU, Linken und der SPD gelang ihr das, weniger gut hingegen bei Grünen und FDP. Schockierend: Offenbar haben auch viele Rechtsextremisten eine neue politische Heimat in der AfD gefunden. 11 Prozent der heutigen AfD-Wähler haben 2011 noch die NPD gewählt, so die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen.
FDP verliert an AfD, knüpft aber CDU Wähler ab
Die Bilanz der CDU ist durchwachsen: Sie verlor neben AfD auch Wähler an FDP, konnte jedoch fast genauso viele Nichtwähler mobilisieren und gewann zudem von SPD, Grünen und Linken einige Wähler hinzu. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Grünen, die an CDU und AfD verloren, jedoch von SPD und Linken hinzugewannen. Zu den Gewinnern der Wahl kann wohl die FDP gezählt werden. Sie verlor nur an die AfD, gewann ansonsten vor allem CDU- und Nichtwähler hinzu.
Die anderen Parteien leiden massiv darunter, dass die AfD aus dem Stand ein Viertel der Stimmen für sich beanspruchen konnte. Für SPD, Grüne und Linke blieb so deutlich weniger vom Wähler-Kuchen. Das erklärt jedoch noch nicht das katastrophale Abschneiden der SPD beim Blick auf die Wählerwanderung. Denn die Sozialdemokraten verloren nicht nur an AfD viele Wähler (21.000) – sondern durchweg an alle Parteien. Fast genauso schlecht sieht es bei den Linken aus, die ebenfalls an alle Parteien Wähler verloren, bis auf die SPD, von der man ein paar hinzugewinnen konnte.
Focus online (14.3.2016)