Vorgehen und Widersprüche der Intersektionalen Praxis

23.10.2024

Neben diesen theoretischen Fragen, was Intersektionalität bedeutet, ist es natürlich wichtig, deren Praxis zu analysieren und dabei Tendenzen und Widersprüche aufzudecken.

Ein Interessanter Punkt bei der Intersektionalität ist zunächst folgender: Laut dem Trumpberater Michael Anton war ein Wendepunkt hin zum „Liberalismus 2.0“ der sogenannte Washington Consensus, eine Absprache zwischen Demokraten und Republikanern, in denen die eigentlichen Linken (deren Subjekt ja die Armen und deren Interessen waren) sich gegen die Armen gestellt haben. Diese Kehrtwende wurde von anderen linken und sozialdemokratischen Parteien im Westen übernommen.[1] Besonders in den USA betrieben Linke oft auch eine Politik, die den Armen explizit schadete.[2] [3] Es existiert also im Westen eine Linke, die ihr politisches Subjekt aktiv aufgegeben hat.[4] Linke Minderheitenpolitik und Intersektionalität führten nun dazu, dass ein großer Teil der westlichen Linke sich mit LGBTIQ+, Ausländern, Behinderten etc. ein neues politisches Subjekt gesucht hat, um sich ja nicht mit den Armen beschäftigen zu müssen.

(Hier fällt auf, dass es einerseits über die Linksliberalen den Witz gibt, dass nach deren Logik ein weißer heterosexueller Obdachloser ein böser Unterdrücker eines reichen schwarzen, schwulen Filmstars mit Milliarden US-Dollar an Einkommen wäre. Andererseits gibt es zwischen Linksliberalen und Altlinken einen Streit, wonach die Linksliberalen die Vertreter der alten Linken „klassenreduktionistisch“ nennen und die Altlinken den Intersektionalen vorwerfen, die ökonomische Klassenfrage zu ignorieren.)

Minderheitenkonflikte, schlechte Nachbarn und Opferpyramiden

Viele klassische Liberale und Konservative (hier z.B. Ben Shapiro) beschreiben die Intersektionalität oft als „alle Unterdrückten und Diskriminierten vereinen sich zusammen gegen den bösen weißen Mann“. Dies stimmt so nicht. Intersektionalität dient offensichtlich nicht nur dazu, um Diskriminierungen von Minderheiten anzuprangern, sondern auch Konflikte zwischen einzelnen Minderheiten zu lösen und zu entscheiden, wer hier Recht hat.

Es ist eine Lösung des, wie Hans Hermann Hoppe es nannte „Schlechte-Nachbarn-Problems“. Dieses Problem besteht grob gesagt darin, dass es keine unendliche Toleranz geben kann, weil es Situationen gibt, in denen sich zwei Gruppen legitim „auf den Zeiger gehen“, selbst wenn beide Gruppen rein rechtlich nichts falsch machten und offensichtlich keine Rechte verletzt wurden. Ein gutes Beispiel hierfür wäre im Westen die Situation, wenn jemand ausgerechnet im Muslimviertel seiner Stadt eine Schweinemetzgerei eröffnet. Rein rechtlich gesehen hat dieser Metzger nichts Schlimmes getan. Trotzdem sorgt dies für Konflikt und soziale Unruhe.[5]

Klassische Liberale und Vertreter der Multipolarität favorisieren oft die Lösung, dass alle Konfliktparteien dann „auf ihrem eigenen Territorium“ bleiben sollten.  Je mehr es in Richtung „Liberalismus 2.0“ geht, umso mehr tendieren die Leute aber in Richtung Unipolarität und hin zum Wunsch der Vereinigung maximaler „Diversität“ in einem einzigen System.

Intersektionalität und das, was Rechte oft „Opferpyramide“ nennen, soll dann bestimmen, wer in welchem Fall Recht hat, also ob ein Muslim gegenüber einer Feministin Recht behält oder umgekehrt etc. Typische Beispiele dieser Minderheitenkonflikte sind z.B. die Diskussionen zwischen Feminismus und Islam, oder die Frage ob Transsexuelle im Frauensport mitmachen dürfen oder die Frauenumkleide besuchen dürfen.Gerade deshalb entsteht bei Konservativen und klassisch Liberalen oft der Eindruck, der Intersektionalismus produziere eine hierarchische „Opferpyramide“.[6] Es existieren auch eindeutige Indizien für solche Tendenzen. Beispielsweise müssen Behinderte bei den Linksliberalen ihre Interessen sehr oft hintenanstellen, wenn sie in Konflikt mit Interessen von Feministinnen geraten. Das krasseste Beispiel hier ist, dass Linksliberale von Behinderten verlangen, das Recht auf Abtreibung bedingungslos zu unterstützen. Inklusive der Abtreibung auf Grund von „embryopathischer Indikation“. Man verlangt also von Behinderten, für das Recht einzustehen, Föten abzutreiben, bei denen eine Behinderung festgestellt wurde.[7] Und der größte Affront besteht laut Linksliberalen darin, wenn man den Willen, behinderte Föten abzutreiben, als behindertenfeindlichen Akt beschreibt.[8] Bei der Konstellation Feministin versus Muslim und Feminismus versus Transsexuelle halten Linksliberale aber oft zu Muslimen und Transgendern.

Gute Täter schlechte Täter – Wie Intersektionale mit Verbrechen umgehen

Was zum Thema Hierarchie natürlich auffällt, ist, dass linke Medien Taten stärker ausschlachten, wenn es sich um die „richtige“ Tätergruppe handelt und dieselbe Art von Tat eher klein reden und unter den Teppich kehren wollen, wenn der Täter einer bestimmten Minderheit angehört.  Die meisten Leute denken hier an Taten von muslimischen Tätern. Ein anderes Beispiel ist hier aber noch krasser: Die bekannten Incel-Amokläufer wie Elliot Rodger wurden extrem von Medien und Feministinnen ausgeschlachtet. Es spielte keine Rolle, dass der Täter Autist und selbst Teil einer Minderheit war. Er war heterosexuell, ethnisch asiatisch und weiß gemischt sowie männlich. Der perfekte „Boogeyman“ für die Linken. Als 2023 ein FTM[9] Transgender mit Geburtsnamen Elisabeth Hale in einer christlichen Schule Amok lief und mehrere Menschen tötete, haben die Mainstreammedien die Nachricht versucht klein zu halten, und hatten vor, den Fakt, dass die Täterin transsexuell war, zu verheimlichen, sowie vor „transphober Hetze“ gewarnt. Und man hat versucht, das Manifest, welches die Täterin schrieb (wie Elliot Rodger es auch tat), vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, dieses musste erst freigeklagt werden.

Ergo haben wir es hier mit einer sehr ähnlichen Art von Tat, aber einer komplett unterschiedlichen Herangehensweise bei ihrer Bewertung zu tun. Nur weil man die Minderheit der einen Täterin mehr mochte als die Minderheit, zu welcher der andere Täter gehörte.Ein alternatives Vorgehen besteht auch darin, die Diskussion auf eine Gruppe abzulenken, mit der Vertreter linksliberaler Ideologie kein Problem haben, wenn diese als Zielscheibe dient. Beispielsweise hat man bei der Massenvergewaltigung von der Kölner Silversternacht 2015/2016 versucht, zu sagen, die Tat hänge nicht mit dem Flüchtlingsstatus der Täter zusammen, sondern dass sei ein allgemeines Problem männlichem Verhaltens.[10] [11]

Intersektionalisten verneinen aber oft, dass es um die Etablierung einer Hierarchie geht. Und diese Beobachtungen sind bloß Tendenzen. Je nach Fall kann das linksliberale Establishment auch hochgradig unterschiedlich und geradezu absurd widersprüchlich entscheiden. Beispielsweise wollen die Linksliberalen, dass jeder so einfach wie möglich eine Geschlechtsumwandlung machen kann, wenn er oder sie es will, egal aus welchem Grund. Linksliberale meinen auch, wenn bestimmte Leute sich weigern, Liebesbeziehungen mit Transgendern anzufangen, würden sie sich diskriminierend gegenüber Transgendern verhalten. (Siehe die Debatte um das Superstraight Mem.[12]) Linksliberale sagen, sie wollen die Probleme von Autisten beheben und sehen diese allesamt als sozialkonstruiert an. Aber wenn Autisten auf Grund ihres Mangels an sozialen Fähigkeiten keine Freundin kriegen und darunter leiden, sind sie laut den Linksliberalen böse Incels die Frauen unterdrücken und dürfen nicht nach einer Lösung ihres Problems fragen, sondern müssen selbst eine Lösung für ihre Probleme finden, aber am besten den Mund halten. Darf sich ein autistischer Incel jetzt, in der Hoffnung, so sein Incelsein zu beenden, zur Frau um operieren lassen? Man könnte jetzt der Meinung sein, nach der voran gestellten Axiome würden sich Linksliberale sogar freuen, wenn Incels zur Hormontherapie greifen, aber das Gegenteil ist der Fall. Es gibt unter Incels einen Trend, der sich Transmaxxing[13] nennt, wo Incels genau das versuchen, jedoch sind Linksliberale sind strikt dagegen.



[1]Hier ist anzumerken, dass der „Neoliberalismus“ in den 2000ern sehr oft gerade von sozialdemokratischen Parteien wie der britischen Labor Partei und der deutschen SPD getragen wurde. Der Neoliberalismus fing zwar mit Thatcher und Reagan an, entwickelte sich aber später stark zu einem Projekt, was nicht von originär liberalen Parteien (wie der deutschen FDP) voran getrieben wurde, sondern von tendenziell linken Parteien, welche ihr Linkssein aufgaben.

[2]Michael Anton nennt als Beispiel Kalifornien, wo die Demokraten „der Umwelt zuliebe“ das Autofahren teurer machten, aber viele Projekte des ÖPNVs aktiv torpedierten, sodass die Ärmeren gleichzeitig aufs Auto angewiesen waren, aber mehr für den  Betrieb des Autos zahlen mussten.

[3]Unter Sozialdemokraten gibt es in Deutschland deshalb auch den Ausspruch „Grün sein muss man sich erstmal (finanziell) leisten können“.

[4]Dies führte zur paradoxen Situation, die von Michael Anton, dem Soziologen Didier Eribon, und auch von Joaquin Flores bemerkt wurde, dass die Konservativen, Neurechten und Libertären/Paleoliberalen genau diese Lücke füllten und somit teilweise die Libertären, die sich auf Leute wie Ayn Rand beziehen, zum Sprachrohr der Rechte der Armen wurden.

[5]Carl Schmitts Beschreibung von Heterogenität und Homogenität geht in eine ähnliche Richtung wie Hoppes „Schlechte-Nachbarn-Problem“.

[7]Interessanterweise sehen die Woken aber gleichzeitig die Heilung von Gehörlosigkeit mit Hilfe von Cochlear Implantaten als „Auslöschung von Behinderten“.

[8]Weitere Beispiele zwischen Konflikten zwischen Behinderten und Feministinnen sind einmal sehr oft das Incel Phänomen (Incels sind SEHR häufig Autisten, Siehe Autistcel - Incel Wiki (incels.wiki)  und Asperger's syndrome - Incel Wiki (incels.wiki) . Wegen dem Konflikt mit der feministischen Agenda ist das ein absolutes Tabuthema.), und wenn einige Behinderte die Bedürfnisse von Frauen nach Individualdistanzen nicht verstehen können und deshalb Frauen versehentlich öffentlich „zu nahekommen“.

[9]Biologische Frau die zum Mann werden will.

[10]Hier ist es übrigens auch interessant anzumerken, dass man damals (und heute auch bei anderen Fällen) die Täter sogar verteidigte und als Opfer von Diskriminierung darstellte, und dass einige Linksliberale meinten, die Täter hätten das nur gemacht, weil Frauen sie zu wenig als potenzielle Partner in Erwägung zögen. Man wollte teilweise deshalb sogar Flirtkurse für Flüchtlinge etablieren. Das klingt so, als seien muslimische Incels also doch eine legitime Opfergruppe. Stimmt aber nicht. Bei linksliberalen Formaten wie Funk wird sich an anderer Stelle auch explizit über muslimische Incels beschwert. (Nur dass in dem Fall diese Muslime niemanden vergewaltigten, sondern nur online fiese Kommentare schrieben. )