Sombart als Prophet der Krise des Kapitalismus
Werner Sombart (1863-1941) war einer der Begründer der modernen Soziologie. Unter seinen Zeitgenossen ist er mindestens gleichrangig mit Max Weber und Ferdinand Tönnies (auch wenn viele dies bestreiten). Aber auch Roberto Michels (gebürtiger Deutscher, Wahlitaliener) war nicht weniger als die brillante Triade auf dem Gebiet der politischen Soziologie. Die germanische Schule dominierte also in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts in Europa bei weitem und lieferte den soziologischen Wissenschaftlern die Leitbilder, d.h. die Interpretationsrichtlinien für die sich verändernde soziale, wirtschaftliche und politische Realität, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere die 1920er und 1930er Jahre prägen sollte. Gewiss, auf anderen Ebenen sollten die genannten Wissenschaftler von unseren eigenen Gaetano Mosca und Vilfredo Pareto flankiert werden, deren Werke, die heute parallel zu denen der 'klassischen' deutschen Soziologen gelesen werden, eine Möglichkeit bieten, die Vergangenheit zu verstehen, um gleichzeitig auch die Gegenwart zu verstehen.
Die von Sombart beobachtete Dynamik des Kapitalismus im Allgemeinen und der Bourgeoisie im Besonderen, die seinen Geist verkörperte, ist in jeder Hinsicht absolut aktuell, insbesondere im Hinblick auf die Verheerungen der anarchischen Globalisierung.
Den Beweis für diejenigen, die keine Möglichkeit haben, sich eingehender mit Sombarts Hauptwerken zu befassen, liefert der kleine, aber erhellende Essay La crisi del capitalismo (Die Krise des Kapitalismus), der vom Mimesis-Verlag in der raffinierten und originellen Reihe unter der Regie von Luca Gallesi veröffentlicht wurde. Der Essay (aus einem Sammelband, der 1933 in Italien erschien), herausgegeben und eingeleitet von Roberta Iannone, einer der brillantesten Gelehrten Sombarts, ist eine scharfsinnige Beschreibung der Krise des kapitalistischen Systems in Deutschland, einem Paradigma für andere ähnliche Systeme, deren Folgen Vorboten der Tragödie in Europa und darüber hinaus sein würden.
Sombart analysiert die Verzerrungen und Aporien, die sich aus einer unregulierten Marktwirtschaft ergeben, und sieht die katastrophalen Folgen der ungehemmten Nutzung des Kapitalismus durch die Oligarchien bei der Unterwerfung der Politik unter die Wirtschaft voraus. Das heißt, in der Vorherrschaft des Profits über die Motive und Bedürfnisse von Völkern und Nationen. Eine Geschichte, die, wenn man die Gegenwart betrachtet, vor so langer Zeit begonnen hat und für die kein akzeptables Ende in Sicht ist.
Um aus dem Labyrinth der Gefahren, die er für Deutschland in den 1930er Jahren ausmacht, herauszukommen, verweist Sombart auf die 'programmatische Ökonomie' als realistische Lösung. Sie, so schreibt er, „ist nicht als zentralisierte, kollektivistische Regulierung des gesamten Wirtschaftslebens zu verstehen; denn man erkennt das Recht verschiedener Wirtschaftsformen an, nebeneinander zu existieren, in der Überzeugung, dass nur eine Pluralität von Wirtschaftsformen den Anforderungen des nationalen Charakters und den Bedürfnissen der verschiedenen Wirtschaftszonen innerhalb eines Landes gerecht werden kann“.
Sombarts Entwurf ist recht einfach und alles andere als utopisch: die Aufteilung der wirtschaftlichen Funktionen in drei Bereiche mit der Begründung, dass ein außer Kontrolle geratener Kapitalismus die Nationen verarmen und vernichten würde, wie es in Deutschland geschah, und im Gegensatz dazu entweder den Aufstieg des Hysterie-Nationalismus oder des Kommunismus begünstigen würde. Zwischen diesen beiden gegensätzlichen Risiken stellte sich Sombart einen 'dritten Weg' vor, der drei Prinzipien entsprechen müsste: eine Wirtschaft der öffentlichen Hand, eine Wirtschaft unter staatlicher Kontrolle und eine Wirtschaft, die Privatpersonen anvertraut wird. Und da Sombart die Privatinitiative als treibende Kraft der gesamten Volkswirtschaft ansah, hielt er es für notwendig, bestimmte Aktivitäten festzulegen, die die öffentliche und staatliche Intervention kennzeichnen sollten. Die öffentliche Hand sollte mit Bankkrediten, der Verwaltung von Rohstoffen und nationalen Streitkräften, der Kommunikation und Infrastruktur, der Landesverteidigung und großen Unternehmen von kollektivem Interesse betraut werden. Eine reine 'Kontrolle' durch den Staat wäre folglich im Außenhandel, bei der Gründung neuer Unternehmen mit einem beträchtlichen Kapital (zu seiner Zeit über hunderttausend Mark), bei Entdeckungen und Erfindungen unerlässlich gewesen.
Dies ist, kurz gesagt, die Antwort, wie Roberta Iannone in der Einleitung des Essays anmerkt, „derjenigen, die sich nach einem organisierten Wirtschaftsleben sehnen und derjenigen, die eine solche Organisation vom nationalen Standpunkt aus anstreben“. Das Ziel ist klar: Die Wirtschaft soll wieder eine Rolle spielen, die der Politik untergeordnet ist, die also dafür sorgen sollte, dass die Einmischung des Kapitalismus in das assoziierte Leben begrenzt wird, um zu verhindern, dass er für seine eigenen Zwecke versklavt wird.
Sombart kommt zu dem Schluss: „Die Reformen müssen mit der Umsetzung eines weitsichtigen Programms zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, mit energischen Maßnahmen zur Erhaltung unserer landwirtschaftlichen Klasse und mit einer Disziplinierung der Außenhandelsbeziehungen in einer Weise beginnen, die dem angestrebten Ziel entspricht.
Die Krise des Kapitalismus, deren ursprünglicher Titel Gesellschaftliche Strömungen im heutigen Deutschland lautete, greift Sombarts bekanntesten Aufsatz Die Zukunft des Kapitalismus auf und fasst ihn zusammen, in dem der deutsche Gelehrte mit einem Geist, den wir ohne zu zögern als 'prophetisch' bezeichnen, in den Falten einer ökonomischen Doktrin und Praxis die Vorboten eines - wie wir leider feststellen - unvermeidlichen Unglücks sieht, wenn der Markt zum Maß aller Dinge wird. Auch - und vor allem - für die Freiheit der Menschen.
Übersetzung von Robert Steuckers