Noomachie und Psychonalyse Teil 3: Psychohistorie

26.12.2023

Lloyd de Mause

Weitere für die Noomachie interessante Personen sind der Psychoanalytiker und „Psychohistoriker“1 Lloyd de Mause2, der Psychoanalytiker Otto Rank, Francis John Mott sowie die Drogenforscher Hanscarl Leuner und Stanislav Grov. Sie alle beschrieben Tentakelmonster und riesige Insekten als symbolische Ausdrücke der „Kybele“. Diese Beschreibung erinnert natürlich sofort an H.P. Lovecraft und seine Gottheiten wie dem großen Cthulhu (dessen Name sich auch vom Wort Chthonisch ableitet. Der Logos der Kybele ist ja wiederum der chthonische Logos.)3, und an die „Monster“ aus Alien, Starship Troopers etc. Bei Starship Troopers ist es auch so, dass der Mann um ein vollwertiger Bürger werden zu können, zum Weltraumkrieger werden muss und gegen die riesigen Arachniden kämpfen soll. Laut Dugin ist der Krieger Teil des Logos des Apollon der gegen den Logos der Kybele kämpft. De Mause beschreibt in einem Artikel auch dass aus seiner Sicht Satanisten eigentlich eine Form von Geburts- und Mutterschaftskult seien, indem die Mitglieder ihre Persönlichkeit schizophren aufspalten und mit der Kultleitung verschmelzen wollen.4 Dies erinnert an Dugins Verbindung der Deleuzeschen Schizophrenie mit der Kybele.5

Lovecrafts Azatoth, der blinde, wahnsinnige Idiotengott und Herr der materiellen Welt. Schon Kenneth Grant (Britischer Nachfolger Crowleys) spekulierte über eine Verbindung zwischen Azatoth und dem weiblichen Prinzip welchem die männliche Balance fehlen würde.

 

Der große alte Cthulhu, der im Wasser schläft und dessen Bewusstwerdung bei Lovecraft schon viele Menschen in den Wahnsinn treiben kann.

 

Stanislav Grov wiederum deutete die Höllensymbolik vieler Kulturen auch als kybelisch, genau so wie das Gefühl einiger depressiver Patienten, grundlegend in der Existenz gefangen zu sein. Diese Gruppe von Psychologen theoretisierte auch, dass Embryonen es merken würden, wenn durch die Plazenta Giftstoffe in den Blutkreislauf kommen. Und dass daher bei einer „bösen Mutter“ (also Kybele) symbolisch auch die Themen Vergiftung und Verschmutzung hinzu kommen. Dugin wies ebenfalls daraufhin, dass es eine Verbindung zwischen Kybele und den Ideen von Gift und Schmutz gibt, und viele Religionen beschreiben die materielle Welt auch als Verschmutzt oder als Folge von Vergiftung und Verschmutzung. (Bestes Beispiel die sogenannten Geistesgifte im Buddhismus, die den Menschen in der materiellen Welt halten.)

Die Reinigung durch das Eintauchen in Wasser symbolisiert de facto aber auch eine (Wieder-) Geburt. Das Wasser ist symbolisch das weibliche Element. Der Mensch steigt gereinigt aus dem Weiblichen aus und tritt als neues Wesen in die Welt. Also ist die Reinigung auch eine „Abnabelung“ und Befreiung von der symbolischen Mutter.

Mikvah, in der sich ein gläubiger Jude von den Verschmutzungen der materiellen Welt rein waschen kann.6

 

Wasserbecken zur rituellen Reinigung in einem Shinto Tempel

Christus geht ins Wasser um im Heiligen Geist neu geboren zu werden

Die Geistesgifte die den irdischen Kreislauf des Leidens in Bewegung halten. Buddhistisches Gemälde.

 

Zu de Mause etc. passt wiederum das Buch „Perversion der Frau“ von Estela Weldon. Dort ist einmal die These, dass sich Perversionen bei Frauen sich meist um die Mutterrolle ranken und auch um diese Ideen des Kindes, was im Körper der Mutter wächst aber dieser auch hilflos ausgeliefert ist. (Dem Kind wird der Personenstatus quasi aberkannt und es wird zum „Auswurf“ und Teil der Mutter gemacht, mit dem die Mutter machen kann was sie will und dass „perverse“ Mütter genau diese Vorstellung reizt...) Während männliche Perverse ihre Neigungen auf den Körper des Gegenübers7 richten würden weibliche Perverse dies auf den eigenen Körper oder ihr Kind richten.

Aber sehr oft seien solche „verschlingenden Mütter“ selbst Opfer einer „verschlingenden Mutter“ gewesen und das, was sie mit ihren Kindern machen, sei in Wahrheit die Rache an ihrer eigenen Mutter. Nur weil die eigene Mutter nicht greifbar ist, muss das Kind als Sündenbock herhalten. (De Mause sprach in ähnlichen Zusammenhängen von „Giftcontainern“, also das manche traumatisierte Personen sich nur besser fühlen können, wenn sie ihre eigenen Schmerzen an dritte Personen weiter leiten.) 

Laut Weldon käme bei der kybelischen Mutter in der Mutter-Tochter-Beziehung ein weiterer Aspekt hinzu, der mythologisch sehr auffällig ist. Und zwar der, dass solche Mütter im narzisstischen Sinne ihre Tochter als potenzielle Konkurrentin wahrnehmen, die sie aber durch ihre Machtposition auch „kaltstellen“ könnten. Dies erinnert wiederum frappierend an die Figur der „bösen Stiefmutter“ aus dem Märchen Schneewitchen. Vielen Lesern dürfte hier auch beim Lesen der Satz „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ in den Sinn gekommen sein.

Die böse Stiefmutter bei Disneys Schneewittchen. Man beachte die Farben Rot und Purpur, die sie mit der „Hure Babylon“ gemeinsam hat, die Dugin als Inkarnation der Kybele deutet.

 

Disneys böse Hexe Maleficent, welche die Prinzessin in einen ewigen Schlaf versetzt und den Prinzen in einen Kerker sperrt, damit er nicht zur Prinzessin gelangen kann. Hier fällt wieder das Purpurne auf, sowie die „Teufelshörner“. 

 

Simon Sheridan wiederum beschrieb, dass der Einfluss der Kybele/verschlingenden Mutter in letzter Zeit rapide im kulturellen Bereich zu nimmt. Bestes Beispiel sei hier die „Coronadiktatur“ mit ihren Imperativen „Bleib zuhause! Geh nicht raus! Triff dich nicht mit Fremden!“ etc. Diese würde schon direkt an die Idee einer verschlingenden Mutter erinnern, die ihre Kinder ständig kontrollieren will. Im Gegensatz zu Peterson sieht Sheridan aber nicht nur einen Puer Aeternus Archetyp am Werk, sondern zwei „Kinderarchetypen“, die auf die verschlingende Mutter reagieren. Ein fügsames, sich unter ordnendes Kind (welches Petersons Puer Aeternus entspricht)  und ein extrem trotziges Kind, das sich übertrieben gegen die verschlingende Mutter wehrt. Letzteres sieht er wiederum bei den Liberalkonservativen wie den Brexiteers oder den Trump Leuten. Tatsächlich fällt auf, dass Liberalkonservative sich auffällig oft zu sehr irrationalen Debatten wie „Die Grünen wollen uns das Schweinefleisch wegnehmen!“ oder „Die bösen Grünen wollen nicht, dass wir Mallorca Lieder über Puffmütter hören!“ hinreißen lassen, die tatsächlich an ein kindliches Trotzverhalten erinnern.8

1. Dies beschreibt nicht Isaac Asimovs Foundation Reihe, in der ein Mathematiker über Modelle historische Zyklen berechnen kann und feststellt, dass sich das galaktische Imperium in einer Verfallsperiode befindet, und deshalb eine Geheimorganisation gründet, um die neue Periode des Wachstums vorzubereiten.(In der Arabischen Übersetzung des Buches heißt diese Geheimorganisation, die sich in den Bergen einer Wüstengegend versteckt, übrigens „Al Qaida“.) Psychohistorie meint hier psychoaanalytische Theorien zur Geschichte konkreter Personen (wie Freuds „Der Mann Moses“) oder über historische Entwicklungen, wie z.B. Freuds Totem und Tabu.

2. Lloyd de Mause ist auch bekannt für seine Geschichtstheorie, die man als spiralförmig bezeichnen kann und Ideen des linearen Fortschritts mit der Idee einer zyklischen Geschichtsschreibung kombinieren. Traumata und ihre Folgestörungen würden in den Menschen nach einer Blütezeit immer selbst eine Verfallsperiode auslösen und nach einer Verfallsperiode aber wieder in eine Wachstumsperiode eintreten. Allerdings meint Lloyd de Mause, dass es trotz des Kreislauf aus Aufgang und Niedergang in den nachfolgenden Zyklen trotzdem insgesamt immer besser sei.

Kritiker meinen aber, dass de Mause hat den Fortschritt nicht gut belegt, sondern Dinge selektiv aus dem Kontext gerissen habe, um seinen Standpunkt zu untermauern. Ebenso sei die Kindheit bei primitiven Kulturen nicht so extrem bösartig gewesen sei, wie de Mause sie darstellt.

De Mause hat auch stellenweise eigenartige Ideen über religiöse Praktiken wie Opferungen (dass ein Opferritual etwa primär dazu dienen würde, dem geopferten Tier Schaden zu zu fügen, anstatt das Opfer als Geschenk für Götter vorzubereiten) etc. oder die Geburtssymbolik. (Die er spezifisch Satanisten zuschreibt obwohl beispielsweise das Christentum und andere nicht satanische Religionen auch voll davon sind.)

Lloyd de Mause beschrieb primitive Kulturen auch als Praktizierende von großen gesellschaftlichen Kindstötungen und den linearen Fortschritt als Fortschritt weg davon. Jedoch kann man beispielsweise das Euthanasie Programm der NS-Zeit, als auch bestimmte feministische Abtreibungskampagnen als organisierte Kindstötung betrachten.

(Teilweise sind auch gerade die Abtreibungstechniken wie „Dilation and Evacuation“ auch außergewöhnlich brutal. Man kann drüber streiten ob es gut war, dass Abraham seinen Sohn Isaak mit einem Messer für Gott Opfern wollte.

Aber selbst wenn er dies durchgezogen hätte, wäre es weit weniger brutal als „Dilation and Evacuation“, wobei der  Arzt eine Zange in die Gebärmutter einführt und jedes Glied separat herausreißt und am Ende den Schädel des Embryos zerquetscht. Wahrscheinlich würden sehr viele Leute Abrahams Methode dem vorziehen.)

3. Cthulhu und sehr viele andere Wesen in Lovecrafts Kosmos sind mit dem Wasser assoziiert, dem traditionell weiblichen Element.

4. De Mause ignoriert aber dabei, dass das Streben nach Ich-Auflösung und Verschmelzung auch bei nicht zwingend satanischen Praktiken wie Sexualmagie eine riesige Rolle spielt.

5. https://ritualabuse.us

6. Chris 73/Wikimedia Commons CC BY SA https://de.wikipedia.org

7. Nach dem Prinzip „Ich kann dich zwingen bestimmte körperliche Reaktionen zu empfinden“.

8. https://www.amazon.de