„Internationale Unsicherheit 2025“

16.12.2024

In der gegenwärtigen Weltordnung gibt es mehrere Ebenen der Unsicherheit (Indetermination):

1. Unsicherheit des Phasenübergangs von Unipolarität zu Multipolarität

Es ist nicht eindeutig zu sagen, ob wir uns bereits in einer multipolaren Welt befinden oder noch in einer unipolaren leben. Heideggers Konzept des "noch nicht" als philosophisches Problem ist hier besonders relevant.

Die Multipolarität steigt auf, während die Unipolarität im Niedergang begriffen ist. Doch ihr Todeskampf könnte fatal werden.

Die jüngsten verzweifelten und teils erfolgreichen Angriffe der Globalisten gegen Russland – in der Ukraine, Georgien, Moldawien, Rumänien und Syrien – zeigen, dass die Unipolarität nicht einfach abgeschrieben werden kann. Der Drache des Globalismus ist tödlich verwundet, aber noch am Leben.

In den internationalen Beziehungen wurde Bipolarität von Kenneth Waltz konzeptualisiert. Selbst nach dem Zerfall der UdSSR sah er China als zweiten Pol. Unipolarität wurde von Robert Gilpin beschrieben, während die Multipolarität von Samuel Huntington und Fabio Petito skizziert wurde.

2. Unsicherheit in der theoretischen Beschreibung der Multipolarität

Was ist ein „Pol“? Handelt es sich um einen souveränen Staat (wie im westfälischen System und im klassischen Realismus)? Oder ist es eine Zivilisation? Doch wie ist der politische Status eines solchen kulturell-religiösen Konzepts?

Die beste Antwort hat der chinesische Spezialist für internationale Beziehungen Zhang Weiwei gegeben, der den Begriff des Zivilisationsstaates eingeführt hat. Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow verwenden genau diesen Begriff. Ein Zivilisationsstaat ist eine Zivilisation (mit einem entwickelten System traditioneller Werte und einer ausgeprägten Identität), die als Superstaat organisiert ist und Konstellationen von Völkern und Staaten anzieht, die eine gemeinsame zivilisatorische Perspektive teilen.

Doch heute versteht jeder den Begriff „Pol“ oder „Zentrum“ (im Falle der Polyzentralität) unterschiedlich:

    - als Staaten (groß und unabhängig),

    - als Zivilisationen (politisch nicht integriert)

    - und als eigentliche Zivilisationsstaaten.

Derzeit gibt es vier voll entwickelte Zivilisationsstaaten:

    - Der kollektive Westen (NATO-Land),

    - Russland,

    - China,

    - Indien.

Weitere Zivilisationen – wie die islamische, afrikanische und lateinamerikanische – existieren ebenfalls, müssen jedoch noch in Superstaaten integriert werden. Der Westen könnte sich zudem in Nordamerika und Europa aufteilen. Eine buddhistische Zivilisation wäre ebenfalls potenziell möglich.

Zu dieser begrifflichen Unsicherheit und der Offenheit des Prozesses, in dem sich Zivilisationen und Staaten in Zivilisationsstaaten verwandeln, kommt die Frage der Frontiers (Grenzzonen) hinzu. Dies ist ein entscheidender Punkt beim Aufbau der Theorie der multipolaren Welt. Eine Frontier ist eine Überlappungszone zweier oder mehrerer Zivilisationen, mit oder ohne souveräne Kleinstaaten. Die Frontiers gehören somit zur zweiten Unsicherheit.

3. Unsicherheit durch Trump und seine Strategie

Donald Trump ist kaum bereit, die Multipolarität zu akzeptieren, da er ein Befürworter der amerikanischen Hegemonie ist. Doch er interpretiert diese radikal anders als die Globalisten, die in den letzten Jahrzehnten in den USA an der Macht waren (egal ob Demokraten oder Republikaner).

Globalisten verbinden militärisch-politische Dominanz, wirtschaftliche Überlegenheit und eine liberale Ideologie, die auf der Durchsetzung anti-traditioneller Werte basiert – sowohl in den USA als auch weltweit. Diese Hegemonie ist keine nationale, sondern eine internationale ideologische liberale Ordnung.

Trump hingegen ist überzeugt, dass nationale Interessen der USA im Vordergrund stehen müssen, gestützt auf traditionelle amerikanische Werte. Mit anderen Worten, wir haben es mit einer rechts-konservativen Hegemonie zu tun, die ideologisch der links-liberalen Hegemonie (Clinton, Bush Jr., Obama, Biden) entgegengesetzt ist.

Wie sich der Trumpismus auf die internationalen Beziehungen auswirken wird, ist ungewiss. Er könnte objektiv die Multipolarität beschleunigen oder sie auch verlangsamen.

Fazit: Die Unsicherheiten von 2025

Im Jahr 2025 werden wir mit allen drei Unsicherheitsebenen gleichzeitig konfrontiert sein. Daher sollte dem Begriff „Unsicherheit“ ein eigenständiger und vielschichtiger Konzeptstatus verliehen werden, der für ein korrektes Verständnis der globalen Prozesse von zentraler Bedeutung ist.