Eine revolutionäre Antwort auf den Transatlantismus: Die Eurasische Mission Alexander Dugins
Europa leidet unter seiner Bindung an die USA und die westliche Wertegemeinschaft. Weder in Hinblick auf seine Identität (Masseneinwanderung, Individualismus, Genderpolitik) noch auf seine Wirtschafts- und Energiepolitik (Russlandsanktionen) bietet die enge Bindung an die USA und den Liberalismus Europa eine Zukunft. Doch wie kann eine revolutionäre Alternative zur “New World Order” und der Globalisierung aussehen? Mit seinem Buch “Eurasische Mission” legt der russische Philosoph Alexander Dugin einen revolutionären Gegenentwurf zur westlichen Weltordnung vor, der auch für Deutschland und Europa eine hoffnungsvolle Zukunft verspricht. Im Folgenden sollen die wichtigsten Gedanken Dugins in diesem Buch dargelegt und festgestellt werden, ob das Buch auch für Patrioten in Deutschland von Interesse ist.
Eurasische Mission – eine Alternative zum Transatlantismus
In der nun auf Deutsch vorliegenden Übersetzung des bereits 2014 auf Englisch erschienen Werkes schildert Dugin einerseits die Entwicklung der Eurasischen Idee beginnend mit dem Eurasismus in der Zwischenkriegszeit über den Neo-Eurasismus gegen Ende der Sowjetunion bis hin zur Vierten Politischen Theorie Ende der 2000er Jahre, andererseits legt er dar, warum dieser eine Alternative zum Transatlantimus nicht nur für Russland, sondern auch für die anderen Zivilisationen der Welt darstellt. Die für dieses Buch zusammengestellten Texte erstrecken sich über einen langen Zeitraum von Anfang der 2000er Jahre (Manifest der globalen revolutionären Allianz) über die späten 2000er bis frühen 2010er Jahre (Texte zur Vierten Politischen Theorie, Interview mit Dugin kurz vor Putins Wiederwahl 2012) bis 2022 (siehe seine Texte zur russischen Militäroperation in der Ukraine). Zudem enthält die deutsche Ausgabe auch ein Vorwort von Peter Töpfer zum Radikalen Subjekt Dugins, das auf dessen philosophisches Werk verweist. Dies sei hier nur kurz angemerkt, da diese Erläuterung in der deutschen Ausgabe fehlt. Dabei gehen die Texte auch einer entscheidenden Frage nach: Was macht den Eurasismus und die Vierte Politische Theorie für Deutschland und Europa zur revolutionären Antwort auf den Liberalismus?
Für die Vielfalt der Völker, gegen den westlichen Universalismus
Die revolutionäre Natur des Eurasismus offenbart sich darin, dass er den westlichen Universalismus in all seinen Dimensionen ablehnt. Jedes Volk muss in einer Demokratie westlichen Zuschnitts leben? Alle Ökonomien sollen den Gesetzen des Freien Marktes und des Kapitalismus gehorchen? Genau diese Vorstellungen werden von den Eurasiern radikal abgelehnt. Dies hat auch viel mit ihrer Entwicklungsgeschichte zu tun: Anknüpfend an die Slawophilen, welche den Liberalismus bereits im 19. Jahrhundert ablehnten und eine eigenständige russische Zivilisation im Abgrenzung zum Westen proklamierten, begannen sich die Eurasier im europäischen Exil der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts nach dem Ende des russischen Bürgerkriegs Gedanken über Russlands Platz in der Welt zu machen. Es waren Hauptvertreter des Eurasismus wie Nikolai Trubetzkoy[1], Petr Savitsky[2] und Lew Gumiljow[3], die die vom Westen aufgestellte Forderung geistig von „Osten nach Westen“ zu gehen ablehnten und auf ihrer besonderen russisch-eurasischen Identität beharrten, die sie ausdrücklich nicht nur als Synthese zwischen der ostslawischen und finnischen Kultur, sondern auch der mongolischen und türkischen Lebensart begreifen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Passionaritätseffekt zu, der, so Gumiljow, zu einer aktiven und intensiven Lebensweise (der Steppenvölker) führt und eine genetische Mutation im Ethnos darstellt, die zur Geburt von Passionären beiträgt.
Die Welt: Kein Universum, sondern ein Pluriversum
Analog zum Vertreter der Konservativen Revolution Oswald Spengler prägten sie dabei den Begriff der Zivilisation, wobei sie darunter nicht etwa eine Verfallsform von Kultur, sondern einen Kulturkreis unter vielen verstehen, zu dem sich verschiedene Völker und Kulturen aufgrund von Gemeinsamkeiten in ihrer Geschichte, Kultur, und Religion vereinigen können. Im Unterschied zu den westlich-liberalen Denkern des 20. Jahrhunderts, die behaupteten, dass es nur eine westliche Zivilisation gäbe und alle anderen Völker Barbaren seien, proklamierten die Eurasier die Pluralität der Zivilisationen und damit ein Pluriversum im Gegensatz zur westlichen Vorstellung eines kulturellen Universums. Während also die Vorstellung einer einheitlichen „Einen Welt“ abgelehnt wird, vertreten sie die Ansicht, dass es im Denken der Menschen genauso viele Welten wie Völker gibt, die durch die je eigene Sprache dieser zuerst im Denken erzeugt wird.
Erde: Der Lebensraum als entscheidender Einfluss bei der Volkswerdung
In Rückgriff auf die Disziplin der Geosophie stellten die Eurasier fest, dass es kein universelles Muster der menschlichen Entwicklung geben kann, da die Vielzahl der Landschaften auf der Erde auch eine Vielzahl von Kulturen hervorbringt, mit jeweils ihnen eigenen Zyklen, internen Kriterien und einer je ihnen eigenen Logik. Der Lebensraum definiert also das in ihm lebende Volk, die Völker werden zum Ausdruck der Landschaft in der sie leben. Dementsprechend plädierten die Eurasier dafür, Zivilisationen auch entlang einer räumlichen Achse zu analysieren.
Die Neoeurasier: Eurasismus plus Traditionalismus und Geopolitik
Die Neoeurasier, die ab den späten 1980er Jahren von sich reden machten und zu deren bedeutendsten Vertretern Alexander Dugin zählt, griffen die Ideen ihrer Ahnen auf und bereicherten diese um das Denken der Konservativen Revolution sowie der Geopolitik. Möglich wurde das Aufkommen dieser Denkbewegung durch die Erosion der Sowjetunion, die nach dem Ende des Stalinismus innenpolitisch in einem Widerstreit zwischen reformorientierten/sozialdemokratischen Kräften und konservativ gesinnten Falken gefangen war. Auf den Sieg der reformorientierten Kräfte folgte das Auseinanderbrechen der UdSSR und die Entstehung eines russischen Staates, dessen Elite die russische Kultur als etwas fremdes wahrnahm, dass an die westliche Kultur assimiliert werden sollte. Die Neo-Eurasier wiederum konnten sich als eine der stärksten oppositionellen Kräfte gegen genau diese Eliten etablieren, wobei der Nationalbolschewismus, welcher aus der Zusammenarbeit zwischen ehemaligen konservativen Kadern der KPdSU und konservativ-patriotischen Oppositionellen entstanden war, nur einen Zwischenschritt auf dem Weg zur weiteren Entwicklung des Neoeurasismus darstellte. Carl Schmitt folgend begriffen sie den Kampf zwischen dem Westen und der eurasischen Zivilisation als Auseinandersetzung zwischen fortschrittlich-globalistisch gesinnten See- und konservativ-traditionalistisch gesinnten Landmächten. Im Rahmen dieses welthistorischen Konflikts zwischen Land und Meer, könne jeder Staat und Kulturkreis eine Seite wählen. Die Neoeurasier als Gegner der unipolaren Weltordnung und Globalisierung, plädieren an dieser Stelle für die Parteinahme auf Seiten der Landmacht im großen Krieg der Kontinente. Ebenfalls von großer Bedeutung für den Neoeurasismus ist schließlich die philosophische Denkschule des Traditionalismus mit ihren Vertretern Rene Guenon, Julius Evola und Titus Burckhardt, da diese eine Generalabrechnung nicht nur mit Liberalismus und Kapitalismus, sondern der gesamten Moderne an sich darstellt, die das Primat der Idee und der Religion betont. Folglich handelt es sich beim Neoeurasismus um eine anti-imperialistische, anti-moderne und anti-kapitalistische Ideologie, deren Ziel die Wiederherstellung der traditionellen Lebens- und Denkweise der jeweiligen Zivilisation ist.
Großraum und Zivilisation als neue Akteure der Geopolitik
Ebenfalls auf Carl Schmitt aufbauen sehen sie nicht den Nationalstaat, sondern den Großraum im Sinne der Zivilisation als Akteur in diesem Kampf an. Die Zukunft des Nationalstaates im Kampf gegen die Globalisierung sieht Dugin drei möglichen Entscheidungen entgegengehend:
- Das Aufgehen in einem zukünftigen Weltstaat
- Den Widerstand gegen die Unipolarität bei Beibehaltung der nationalstaatlichen Ordnung
- Die Aufhebung des Nationalstaates in einer Großraumformation
Anknüpfend an Carl Schmitt spricht sich Alexander Dugin für die Zivilisation und den Großraum als zukünftige Organisationsform in der Geopolitik aus. Dieser entspricht, seiner Logik nach, nicht dem Nationalismus, der seine Bürger in der Denkmatrix der Moderne stehend uniformisiert und vereinheitlicht (siehe etwa die Französische Republik oder in der deutschen Geschichte das Dritte Reich), sondern jener des Reiches, das immer aus einer Vielzahl von Völkern und Religionen besteht sowie von einem Reichsvolk angeführt wird. Dugin stellt hierbei ein Pluriversum der Zivilisationen fest, indem nicht nur Russland-Eurasien, China und der aus mehreren Zivilisationen bestehende islamische Großraum sowie Südamerika eine Chance auf Emanzipation vom westlichen Universalismus besitzen, sondern auch Europa selbst, dass im Moment noch ein Vasall[4] der USA ist.
Großraum, Autarkie, Autonomie, Souveränität
Grundlegend für den Großraum sind hierbei der Autarkie und Souveränitätsgedanke: Weil ein Nationalstaat alleine sich nicht gegen die Globalisierung behaupten kann, müssen sich mehrere Nationalstaaten zusammenschließen und ihre Souveränität auf die Ebene des Großraums transferieren. Weil ein Nationalstaat im Angesicht von Sanktionen und westlicher Blockadepolitik nicht dazu in der Lage ist sich zu behaupten, müssen sich mehrere zusammenschließen um ihre Handlungsfähigkeit im Ernstfall sicherzustellen. Wichtig ist hierbei das Konzept der Autonomie, welches der modernen Idee des Zentralismus entgegensteht: So übernimmt zwar die Ebene der Zivilisation künftig wichtige außenpolitische Entscheidungen, im Inneren fällt den unteren Ebenen des Großraumes jedoch eine autonome Gestaltung der eigenen Verhältnisse im Sinne des Subsidiaritätsprinzips und der Idee „E pluribus unum“ (Aus vielen eines schaffen) zu, was auch die kulturelle Selbstständigkeit miteinschließt. Dabei umfasst die Autonomie nicht nur die kulturelle Ebene, sondern auch die religiöse, soziale, wirtschaftliche, ethnische Dimension des Lebens. In Bezug auf die wirtschaftliche Aktivität der Großräume fordert die Eurasische Bewegung Dugins vier geoökonomische Zonen. Im Gegensatz zu transatlantischen Denkern, die nur drei Zonen proklamieren und in Russland-Eurasien ein schwarzes Loch sehen, plädieren die Eurasier neben der amerikanischen, europäisch-afrikanischen und der pazifischen geoökonomischen Zone für die Errichtung des eurasischen Kontinentalgürtels als vierter geo-ökonomischer Zone. Während sie in der amerikanischen geoökonomischen Zone für eine Organisation des mittel- und lateinamerikanischen Großraumes eintreten sowie eine Beschränkung der USA auf sich selbst befürworten, sehen die Eurasier im europäisch-afrikanischen Gürtel eine Unabhängigkeit Europas von den USA und eine Formierung Afrikas südlich der Sahara als eigenen Großraum als wichtig für die Entstehung der Multipolarität an. Im eurasischen Kontinentalgürtel gilt es erst den Großraum Russland-Eurasiens und des kontinentalen Islams noch zu schaffen, wohingegen Indien und China die Grenzen ihres Großraumes bereits weitestgehend konstituiert haben.
Die Vierte Politische Theorie: Jenseits von Liberalismus, Faschismus und Marxismus
Den letzten Schritt in der Entwicklung des Eurasismus erkennt Dugin in der Vierten Politischen Theorie. Als diese bezeichnet er den Entwurf für eine neue politische Theorie, in deren Mittelpunkt das Dasein nach Martin Heidegger steht, worunter Dugin das Volk versteht, und deren Ziel die vollkommene Überwindung der politischen Moderne darstellt. Als erste politische Theorie sieht Dugin den Liberalismus an, als zweite den Marxismus und als dritte politische Theorie schließlich den Faschismus/Nationalsozialismus[5]. Bei der Dekonstruktion der Ideologien erleichtert er diese aus seiner Sicht um ihre problematischen Elemente – Kapitalismus und Individualismus beim Liberalismus; Kollektivismus, Klassendenken und Materialismus beim Marxismus sowie Rassenwahn und Staatshörigkeit beim Faschismus/Nationalsozialismus, um schließlich die in seinen Augen positiven Elementen dieser Theorien in eine neue Form zu gießen. Beim Liberalismus erkennt er die „Freiheit zu“ als ein solches an, beim Marxismus die Kritik am Liberalismus und beim Faschismus schließlich den Ethnozentrismus als bewahrungswürdiges Element. Neben einer vernichtenden Kritik an der Moderne – die er auch unter Rückgriff auf Erkenntnisse der Postmoderne führt, da er das Problem an der Wurzel bekämpfen will – bleibt somit also eine positive Grundlage der Vierten Politischen Theorie, die nun jedes Volk und jede Zivilisation nutzen kann, um, frei vom Denken der Moderne und dem Zwang „von Osten nach Westen“ gehen zu müssen, ihre je eigene Identität zu bewahren/sie wiederzuentdecken sowie gleichzeitig eine politische Ordnung zu errichten, die diese widerspiegelt.
Das Primat des Geistes: Von Westen nach Osten gehen
Während Dugin in der europäischen Neuen Rechten/der Nouvelle Droite die europäische Ausprägung der Vierten Politischen Theorie erkennt, sieht er im Neoeurasismus die russisch-eurasische Variante der Vierten Politischen Theorie. Auf dieser Ebene bedeutet der Eurasismus freilich eine Abwendung vom modernen Westen und dessen Primat des Materialismus, hin zu einem Weg „von Westen nach Osten“ der zum Primat des Geistes führt, das eine Teilnahme an der Noomachie (dem Krieg des Geistes) und nicht ein bloßes Zuschauerdasein, voraussetzt. Herrschaft im Sinne des Eurasismus ist immer Ideokratie, also die Durchdringung des Staates mit einer Idee, die dem gesamten Aufbau des Gemeinwesens einen Sinn gibt, keine Oligarchie der Millardäre, die durch eine Scheindemokratie verdeckt wird. Dies stellt zweifelsohne den Westen, der nicht nur Zentrum der (ehemals) unipolaren Welt, sondern auch der von ihr vollbrachten geistigen Verwüstungen ist, vor eine schwere Herausforderung. Wie soll er nach dem Great Reset wiederauferstehen? Auch darauf gibt Dugins Schrift erste Hinweise in Form möglicher Wege für die USA in die Zukunft.
Wie kann der Westen die Moderne überwinden? Eine Frage der Identität
Da der Westen keine Anstalten macht die kulturellen Eigenheiten und Besonderheiten der anderen Zivilisationen zu respektieren, sondern ganz im Gegenteil deren Einebnung durch den westlichen Universalismus anstrebt – heute wohl am sichtbarsten durch den „woken“ Liberalismus 2.0 des Great Reset – ruft Dugin zum Aufstand der Zivilisationen und ein „Großes Erwachen“ gegen die westliche Hegemonie auf. Wie aus seinen Schriften zum Great Reset und der Vierten Politischen Theorie bekannt, geht dies bei Dugin aber nicht mit einem Hass auf die westliche Kultur an sich einher, sondern bedeutet nur eine Ablehnung des modernen Westens, wohingegen er die westlich-europäische Tradition des Mittelalters und der Antike beispielsweise zutiefst respektiert. Interessant ist an dieser Stelle auch das dreigliedrige Identitätsmodell, welches der russische Philosoph und Ethnosoziologe in Hinblick auf die USA präsentiert: 1) Die diffuse Identität. Unter dieser versteht Dugin ein vages Gefühl der gemeinsamen Zugehörigkeit, welches verworren, unsicher und schwach ist. Die diffuse Identität tritt nur in Extremsituationen hervor, etwa bei Kriegen, Revolutionen und Naturkatastrophen. 2) Die extreme Identität. Sie stellt eine willkürliche und künstliche Identität dar, die zur Ideologie wird. Beispiele dafür sind der Nationalismus bzw. die Klassen- oder kosmopolitische Identität. Während sie einige Merkmale der diffusen Identität oftmals betont, lässt sie andere unter den Tisch fallen und stellt eine Karikatur dieser dar. 3) Die tiefe Identität, welche unter der diffusen Identität verborgen liegt. Sie macht ein Volk zum Volk und ist dessen Grundlage. Das Volk besteht nicht aus der Gegenwart, sondern bewegt sich von der Vergangenheit in die Zukunft auf der Ebene seiner Sprache, Kultur und Tradition. Die tiefe Identität stellt das Ganze dar, welches sich sowohl in der Zeit als auch im Raum abspielt, sie ist der Mensch als Existenz. Den deutschen Ethnologen Leo Frobenius zitierend stellt Dugin an dieser Stelle fest, dass Kultur die Erde ist, die sich durch den Menschen manifestiert. Während die Europäer noch immer über ihre tiefe Identität verfügen, stehen die USA vor dem Problem, dass sie ursprünglich auf einer kulturellen tabula rasa in Nordamerika geschaffen wurden, um die Utopie der Moderne zu verwirklichen. Die Vereinigten Staaten waren unter der Vernachlässigung des Bodens aufgebaut worden, der eigentlich den Indianern gehört. Somit handelte es sich bei den USA von Anfang an um eine hochmobile Gesellschaft von Nomaden, die sich auf der Oberfläche eines fast nicht existenten Raums bewegten. Das Parteiensystemsystem von Demokraten und Republikanern stellt die Zusammenfassung ihrer diffusen Identität dar, welche um die Vektoren Freiheit, Liberalismus, Individualismus und Fortschritt hin und her schwingt.
Drei Möglichkeiten für die US-Amerikaner ihre tiefe Identität zu finden
Folglich sieht Dugin drei Möglichkeiten für die USA: 1) Die Rückkehr zur europäischen Identität. Da sie keinen eigenen Boden besitzen, können die US-Amerikaner ihre moderne Identität ablegen und ihre Situation im Sinne eines anderen existenziellen Lagers aus Sicht der Mutter Europa betrachten. Dies würde für die europäisch stämmigen Amerikaner das Erwachsen eines authentischen Daseins im Sinne Martin Heideggers bedeuten. 2) Der Amerikaner bleibt Amerikaner, sucht aber im Sinne des individualistischen amerikanischen logos seine Identität. Dies führt ihn im Sinne des Protestantismus dazu, dass das Individuum, dem es an Verwurzelung mangelt, seine Wurzeln im Himmel in Form eines eigenen individuellen Gottes sucht, den es sich frei nach Friedrich Nietzsche selbst schaffen muss. Die zahlreichen protestantischen Sekten in den USA können hier als Beispiel für die Gottessuche des Individuums gelten. Durch diese verschafft sich das Individuum in der Moderne Tiefe. Und schließlich 3) Der Weg des amerikanischen Existenzialismus, die individuelle Beschäftigung mit dem Tod, die dadurch möglich wird, dass die Gesellschaft den Einzelnen frei von allem macht, aber auch frei für das Nichts. Durch diese Beschäftigung mit dem eigenen Ende kann schließlich der Inhalt des eigenen Wesens erweckt werden.
Eine faszinierende Lektüre, wichtig für das Verständnis des Eurasismus und der Multipolaren Welt
Insgesamt stellt „Eurasische Mission“ von Alexander Dugin eine faszinierende Lektüre dar, die ein besseres Verständnis des Eurasismus und der sich herausbildenden Multipolaren Welt ermöglicht. Angesichts der Perspektiven die der Eurasismus auch Deutschland und Europa bietet wird es hoffentlich oft gelesen und noch öfter diskutiert werden. Deutschland und Europa brauchen Alternativen zum kollabierenden Transatlantismus – in diesem Buch kann eine solche gefunden werden.
Das Buch ist beim Arktos-Verlag (https://arktos.com/product/eurasische-mission/) erhältlich.
[1]1890 – 1938, russischer Linguist, Historiker und Gründer der Morphophonolgie. Einer der führenden Vertreter der Eurasischen Bewegung, bekannt für sein Buch „Europa und die Menschheit“.
[2]1895 – 1968, Mitgründer der Eurasischen Bewegung, Ökonom und Geograph. Kämpfte im Russischen Bürgerkrieg auf der Seite General Wrangels gegen den Kommunismus.
[3]1912 – 1992, sowjetischer Historiker und Ethnologe. Lehnte die These vom Mongolenjoch in Bezug auf die russische Geschichte ab und bewertete die Symbiose von Russen und Turkvölkern wie Mongolen stattdessen positiv.
[4] Der Begriff „Vasall“ stand ursprünglich mal für die freiwillige Verpflichtung eines Mannes seinem Herrn, seinem Herzog oder Fürsten zu dienen, war also ein Ausdruck von Treue und gegenseitiger Unterstützung, wie es auch das Souzeränitätsprinzip darstellt. Heute hat der Begriff „Vasallentum“ eher einen negativen Klang und steht für eine Art unfreiwillige Bindung eines Landes an ein mächtigeres. (Anm. d. Red.)
[5]Dugin selbst differenziert zwischen beiden Konzepten und ihren jeweiligen Subjekten – Staat beim Faschismus, Rasse beim Nationalsozialismus), erkennt jedoch ihre gemeinsame ideologische Matrix aus Nationalismus, Militarismus, Kollektivismus und Führerkult an.