Die Zukunft der Hisbollah
Hashem Safieddine, der kurzlebige Nachfolger Nasrallahs an der Spitze der Hisbollah, ist angeblich tot. Das ist nur bedingt richtig, denn die israelische Armee hat die Nachricht noch nicht bestätigt, obwohl sie offiziell von Netanjahu gegeben wurde. Es handelt sich aber nur um eine Vorsichtsmaßnahme und wahrscheinlich um eine Frage von Stunden.
Sicher ist, dass die israelische Offensive im Libanon weitergeht. Sie wird sogar noch intensiviert. Und es handelt sich inzwischen nicht mehr nur um eine Fernoperation, bei der die Luftwaffe massiv eingesetzt wird. Denn israelische Militäreinheiten sind inzwischen tief in den Südlibanon eingedrungen. Sie stießen gestern auf offenbar heftigen Widerstand. Diejenigen, die in der Nähe eines UNIFIL-Stützpunktes ankamen, auf dem sich auch italienische Truppen befinden, wurden angeblich durch einen schiitischen Gegenangriff zurückgeschlagen. Diese scheinen auch ohne Nasrallah und wahrscheinlich auch ohne Safieddine immer noch fest entschlossen und vor allem in der Lage zu sein, ihr Gebiet zu verteidigen.
Die militärische Überlegenheit Israels ist natürlich unbestreitbar. Und vor allem seine Kontrolle über den Luftraum, die es ihm ermöglicht, den Süden von Beirut, der als politische und operative Basis der Hisbollah gilt, zu bombardieren.
Doch diese Überlegenheit und dieser vernichtende Angriff haben offensichtlich nicht ausgereicht, um die schiitische Organisation zu vernichten. Sie erweist sich nach wie vor als vital und vor allem als gut strukturiert. Das bestätigt die Befürchtungen der israelischen Militärkommandeure vom Vorabend.
Tatsächlich sieht sich Israel gezwungen, mit Gewalt in den Südlibanon einzudringen. Um den Widerstand der Hisbollah zu brechen, setzt es sich dabei jedoch großen Risiken aus. Der israelische Geheimdienst hat die Regierung Netanjahu nämlich stets gewarnt, dass die Hisbollah aus militärischer Sicht die am besten strukturierte, bewaffnete und organisierte Kraft in der gesamten benachbarten arabischen Welt ist.
Und die Hisbollah reagiert, trotz allem, darauf. Sie hat Hunderte von Raketen auf Haifa abgefeuert und leistet vor allem dem Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon einen harten und organisierten Widerstand.
Und dies trotz des zweifellos schwierigen Moments des Mangels an einer klaren Führung. So sehr, dass nur noch Naim Qassem, der schon immer als langweilige und zweitrangige Figur galt, zu Wort kommt.
Sollte der israelische Vorstoß jedoch nicht in kurzer Zeit zu den gewünschten Ergebnissen führen, ist es fast unvermeidlich, dass eine neue starke Führung aus den Reihen der Hisbollah hervorgehen wird. Und zwar eine jüngere, wie gewisse Anzeichen bereits erahnen lassen. Dazu gehört nicht zuletzt die Tatsache, dass der Widerstand der Bewegung trotz der Beseitigung ihrer Anführer mit großer Beharrlichkeit weitergeht.
Sicherlich hat der israelische Angriff aber auch einige Ergebnisse gebracht. Man hat den Eindruck, dass sich die Hisbollah bewusst geworden ist, dass sie an Boden verloren hat, und dass sie deshalb Unterstützung bei der Amal sucht, der anderen libanesischen schiitischen Bewegung, die bis jetzt mit Herablassung behandelt wurde. Sie wurde erheblich an den Rand gedrängt. Aber gerade Amal ist an die Regierung in Beirut gebunden. Eine zerbrechliche Regierung, der es gewiss an Gewicht mangelt... aber die der Hisbollah im Moment nützlich sein kann.
Dies bedeutet jedoch, dass sie sich von der Hamas und den Geschehnissen im Gaza-Streifen distanziert. Eine Sache, für die Nasrallah seinerzeit voll und ganz eintrat, die aber heute für eine in die Defensive gedrängte Hisbollah zu schwer zu halten ist.
Und natürlich steht Teheran hinter ihr.
Die Ayatollahs müssen wohl beschlossen haben, dass der Gaza-Krieg bereits verloren ist. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die Hamas zwar ein Verbündeter, aber eine sunnitische fundamentalistische Bewegung ist. Sie ist also nicht Teil des schiitischen Orbs, der vom Iran angeführt und im Wesentlichen befehligt wird.