Die vierte Ideologie des Kapitalismus: Anthropophobie

20.03.2024
Aus dem Englischen übersetzt von Joachim S. Bauer

 Der Begriff der Moderne ist mit dem des Kapitalismus gleichzusetzen ist. Der beginnende Untergang der christlichen Zivilisation  (im 14. Jahrhundert, dem Jahrhundert des Nominalismus und dem Aufstieg von Individualismus und Bourgeoisie), war  der Zeitpunkt, an dem Land und Arbeit zu Waren wurden, eingetreten.

Aber wenn man von Land und Arbeit spricht, muss man auch vom Menschen sprechen. Der Mensch ohne Wurzeln ist kein Mensch mehr: Er ist eine diskrete und austauschbare Einheit. Er  ist in der Erde verwurzelt und auch selbst die Erde. Er zieht Furchen und isst ihre Früchte, durchstreift sie auf der Spur der Beute, sucht neue Länder, als wären sie selbst Beute? Der Mensch ist die Erde.

Die heutigen "Umweltschützer" haben den Verstand verloren. Sie behaupten, dass der Mensch eine Plage sei. Sie geben vor, sich um die Erde zu sorgen, sind aber doch von modernen und vom Kapitalismus abgeleiteten Ideologien durchdrungen, die nur mit weiteren Wendungen den weiteren Aufstieg des Kapitalismus beitragen. Jede kapitalistische Ideologie, ob sie nun von links oder von rechts kommt, sieht den Menschen als von der Erde entwurzelt an: immer, selbst im grausamsten Kollektivismus, versteht diese Ideologie den Menschen als eine diskrete Einheit, die von einem Punkt der Erde zu einem anderen bewegt werden kann. Dies führt leicht direkt zur Anthropophobie. Dem Hass auf den Menschen, das bedeutet, der mehr oder weniger verkappte Malthusianismus, lässt sich  so erklären.

Wenn man vom Menschen spricht, spricht man auch von der Arbeit. Der Mensch ist Arbeit. Alles, was wahrhaft menschlich ist, ist Arbeit: Erziehung der Kinder, Pflege und Kultivierung des Körpers, Suche nach Nahrung und verdienter Ruhe, um wieder an die Arbeit gehen zu können, um Ideen oder Dinge zu produzieren. Alles Menschliche ist Arbeit. Ein völkischer und sozialistischer Staat ist ein Staat der Arbeit, nicht ein Staat der Parasiten, der durch ein universelles Grundeinkommen unterstützt wird. Auch die "Libertären" haben ihren Verstand verloren. Sie sind ein kaputtes Produkt des Kapitalismus selbst und machen - ob sie es wissen oder nicht - die Drecksarbeit, ihn zu stützen. Sie verfluchen die Arbeit, wie die "Ludditen" des 21. Jahrhunderts es taten und  setzen auf eine globale Erotisierung des Daseins und ignorieren dabei, dass der Mensch selbst, als eine somatopsychische Verbindung, rhythmisch lebt.

Erotische Entladung und spielerische Entfaltung können nur nach apollinischen Perioden von Spannung und produktiver Unterdrückung erfolgen. Es ist notwendig, zu produzieren und zu ertragen, und dann zu entspannen und zu entladen. Was passiert, ist, dass der technologisierte Kapitalismus, der sich auf Offshoring und die Abschaffung von Berufen spezialisiert hat, diesen neuen Malthus braucht, der sich als Ökologe und Libertärer tarnt: "Habt keine Erde und keine Arbeit". Seid wie Kinder, die mit der Flasche gefüttert werden (universelles Grundeinkommen), und entspannt, "locker", in Bezug auf das, in dem sich der Mensch als Mensch und nicht als Tier erweist: für den gerechten Krieg, in dem sich die Menschen gegen eine Verletzung ihrer Rechte auflehnen, und für die Produktion, in der die Menschen für ihren eigenen Lebensunterhalt und ihre Unabhängigkeit arbeiten und dabei Werte schaffen.

Libertäre und "Umweltschützer" sind die liberale Plage. Glauben Sie nicht, dass sie trotz ihrer antikapitalistischen Rhetorik nur die so genannten Linken befallen, was auch immer "links" in jedem Land bedeutet. Die Pest hat die Massen befallen, die sich in dieser neuen Rechten engagieren, losgelöst von jeder Tradition, zynisch, individualistisch, menschenfeindlich.

Der Hass auf den Menschen äußert sich in einer seltsam gnostischen Weise. Der Kapitalismus mutiert in seinen Ideologien (Liberalismus, Sozialismus, Faschismus, die gleichen Ideologien, die Dugin "politische Theorien" nennt). Aber die vierte Ideologie, die der Kapitalismus selbst fabriziert hat, besteht in der Verurteilung der Erde  und der Arbeit selbst und damit in der Verurteilung des Menschen. "Der Mensch ist böse, und das, was immer dazu gedient hat, ihn zu vermenschlichen, ihn von seinem Zustand als bloßes Tier zu lösen, muss zerstört werden", lautet die vierte Ideologie des westlichen Spätkapitalismus. Es geht nicht mehr darum, die Arbeit, das Eigentum an Grund und Boden und anderes Eigentum zu reformieren und es geht auch nicht mehr darum, einen neuen Staat oder andere Machthierarchien zu schaffen... Das ist ein alter Hut, das wurde schon in den drei vorangegangenen modernen Ideologien versucht. Die vierte Ideologie, die nicht von Dugin stammt und in Wirklichkeit von anonymen Tycoons und räuberischen Hedgefonds ausgeht, hat einen Namen: die Zerstörung des Menschen selbst.

Der landlose Mensch ist losgelöst vom Land, er ist die Asphaltameise, das einsame und homogene Tier, das in Zellen ohne Familie in der großen kosmopolitischen Stadt lebt (Spengler). Er ist im Grunde steril und unqualifiziert. Er ist ein reiner Masturbator, auch wenn er mit seinem Partner spielt. Um den Preis, dass er die Realität auf eine Reihe egoistischer Fantasien reduziert, wird er selbst unwirklich, irrelevant. Es ist eine ontologische Banalität. Er wird nihilistisch, weil er nichts ist.

Der Mensch ohne Arbeit ist für die Linke nichts. Er wird von jedem Tier übertroffen, das  ausgehungert nach Beute sucht oder eine Provinz nach einer Wasserpfütze durchkämmt. Die rein instinktive Kreatur übertrifft den Menschen an metaphysischer Würde – den Menschen, der darauf verzichtet, produktiv zu sein, der sich danach sehnt, erhalten zu werden und seine Fruchtbarkeit aufschiebt, indem er die Welt verlässt, ohne seine Pflicht zur Fortpflanzung zu erfüllen. Der römische Plebs wurde schlimmer als die wilden Bestien, die in ihrem Namen in den Zirkussen Menschenfleisch verschlangen. Der römische Zirkus wird auf globaler Ebene zurückkehren: Das große Geschäft wird darin bestehen, (direkt oder metaphorisch) Menschenfleisch zu verschlingen, während der schwangere Plebs an die Fütterung mit der Flasche angeschlossen ist.

Die Kommerzialisierung des Menschen, die Ausbeutung des eigenen Körpers und jedes Winkels seiner Seele sind unaufhaltsam erscheinende Prozesse (zumindest im Westen). Da der Mensch in diesen Teilen der Welt nicht mehr produziert, "bietet er sich an". Es ist zu bedenken, dass in der Sklavenhaltung nicht jeder Sklave produktiv war.