AfD-Jugend knüpft Netzwerk zur europäischen Rechten

21.06.2016

Offiziell grenzen sich die rechtspopulistischen Parteien in Europa gerne voneinander ab. Doch im Hintergrund läuft die Vernetzung. Vor allem der politische Nachwuchs ist aktiv.

Nach ihren jüngsten Wahlerfolgen rücken Europas Rechtspopulisten enger zusammen: Gegen die EU, die geschmähten „Altparteien“ und einen angeblichen Verlust gemeinsamer abendländischer Identität. Vorreiter der Vernetzung sind die Jugendorganisationen der neuen Rechten, darunter der AfD-Nachwuchs „Junge Alternative“ (JA). Während die AfD-Spitze noch über ihre internationale Strategie streitet, ist die JA längst einen Schritt weiter und baut selbstbewusst grenzüberschreitende Kontakte auf. Die EU muss sich auf eine neue länderübergreifende Generation von rechten Politikern einstellen, die langfristig ihre Entmachtung verfolgt.

Oberflächlich erscheint das Phänomen paradox: Ausgerechnet jene Parteien, die sich den Kampf gegen die EU auf die Fahnen geschrieben haben, richten ihren Blick immer stärker über ihre Ländergrenzen. Nach dem Sieg von Norbert Hofer in der ersten Runde der österreichischen Präsidentschaftswahl Ende April gratulierten dem FPÖ-Kandidaten neben AfD-Chefin Frauke Petry auch die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen, der niederländische PVV-Vorsitzende Geert Wilders, Vertreter der rechtsnationalen italienischen Lega Nord sowie der ungarischen Jobbik.

Im Hintergrund läuft die Vernetzung

Formiert sich angesichts des Erstarkens der EU-Skeptiker in vielen Ländern ein breites rechtspopulistisches Bündnis? Gar eine Art „rechte Internationale“? Noch sind rechte Abgeordnete im EU-Parlament in drei Fraktionen zersplittert, offizielle Bündnisse auf Parteiebene sind umstritten. Im Hintergrund hat die Vernetzung allerdings längst begonnen.

In Deutschland treiben die JA-Vorsitzenden Markus Frohnmaier [Bild] und Sven Tritschler die Internationalisierung der AfD voran. Im April sorgte das Duo für Schlagzeilen, als der „Spiegel“ nach einem Treffen mit einem Duma-Abgeordneten in Berlin von einem Bündnis mit der „Jungen Garde“ berichtete - der Parteijugend von Präsident Wladimir Putins Partei „Einiges Russland“.

Obwohl die JA ein offizielles Bündnis dementierte und betonte, man lote nur Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus, sprang AfD-Vize Alexander Gauland auf den Zug auf und bekannte: „Ich habe überhaupt keine Bedenken dagegen.“ Frohnmaier zeigt sich außerdem auf seiner Internetseite mit Gauland in freundschaftlicher Pose mit Daniil A. Bisslinger, der als Attaché der russischen Botschaft in Berlin für Kontakte zu Jugendorganisationen verantwortlich ist.

Der Reiz Russlands

Die besondere Attraktivität Russlands für die Rechte sieht der Göttinger Politikwissenschaftler Samuel Salzborn vor allem ideologisch motiviert: „Die Vernetzung mit Russland ist deshalb so attraktiv, weil es als Phantasie für eine ethnisch homogene, autoritäre und patriarchalisch strukturierte Gesellschaft dient. Die russische Nation erscheint als mythisch-christlich fundiertes Gegenmodell zu den Werten von Demokratie und Rationalität in den westlichen Gesellschaften.“

Dem Jurastudenten und JA-Vorsitzenden Frohnmaier liegen aber auch die Beziehungen zu anderen „großen Kulturvölkern auf unserem Kontinent“ am Herzen, wie er sich gegenüber Reuters schriftlich äußerte. Frohnmaier ist Mitglied des AfD-Landesvorstandes Baden-Württemberg und wurde Ende April als neuer Pressesprecher von Petry angeheuert. Mit ihr reiste er Ende Mai zur „blauen Wahlparty“ der FPÖ in den Wiener Prater.

Bereits im Oktober 2015 war das JA-Führungsduo von der FPÖ nach Wien eingeladen worden. Kontakte zum österreichischen „Ring Freiheitlicher Jugend“, dem jungen FPÖ-Ableger, gibt es schon länger. Frohnmaier ist außerdem gut in Osteuropa vernetzt und reiste auch ins russische Sankt Petersburg, in die umkämpfte ostukrainische Metropole Donezk und nach Belgrad, wo er sich mit Vertretern andere rechter Organisationen aus Europa austauschte.

Beitritt zu „European Young Conservatives“

Die JA gibt sich bei der Sondierung internationaler Bündnisse selbstbewusst. „Ich weiß, dass der AfD-Bundesvorstand hinter uns steht“, so Frohnmaier zu Reuters. Kontakte pflegt man europaweit und meist im informellen Rahmen. Im Januar reiste eine JA-Delegation zu einem Kongress der Jungen Schweizerischen Volkspartei (JSVP). Im Februar traf man sich mit der Jugend der immigrationsfeindlichen Schwedendemokraten (Ungsvenskarna). „Die Pflege internationaler Kontakte ist für uns besonders wichtig. Wir lernen dabei junge Menschen aus ganz Europa kennen, die die EU ebenso kritisch sehen wie wir. Dieser Austausch steht im Geiste einer echten Völkerverständigung“, so Frohnmaier.

Die zunehmende Vernetzung belegt auch der Beitritt des AfD-Nachwuchses zum Netzwerk „European Young Conservatives“, dem mittlerweile nationalkonservative Jugendorganisationen aus 22 Staaten angehören, darunter Großbritannien, Italien, Polen, Norwegen und Tschechien. Salzborn zufolge verfolgt die JA mehrere Ziele: „Man kann auf der Ebene der Jugendorganisationen lose Verbindungen herstellen, die einerseits diesen selbst und andererseits später den Mutterparteien zum weiteren Austausch, etwa über Wahlkampfstrategien und den Umgang mit Medien, nutzen können“. Die JA fühle vor, um weitreichendere Allianzen wie eine Fraktionsbildung im europäischen Parlament vorzubereiten.

Europa vor Brüssel retten

Einen Widerspruch zwischen dem geforderten Primat des Nationalen und europaweiter Vernetzung kann der JA-Vorsitzende Frohnmaier nicht erkennen. Die wichtigste gemeinsame Frage bei den Treffen sei stets: „Wie retten wir Europa vor Brüssel?“ Salzborn unterstreicht dagegen die langfristigen ideologischen Schnittmengen der rechten Jugendorganisationen. Dabei gehe es keineswegs nur um die Ablehnung der EU: „Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass es hier nur um kurzzeitige populistische Kampagnen geht, vielmehr existiert eine ideologisch gefestigte völkische Haltung zur eigenen und auch zu anderen Nationen, die kulturelle Homogenität beabsichtigt“, sagte der Politologe: „Dabei werden aktuelle Themen wie die Flüchtlingspolitik zum Anlass genommen, um dieses Weltbild zu artikulieren.“

Die JA-Mutterpartei AfD und deren zerstrittene Führung tut sich bei der Internationalisierung noch erkennbar schwerer. Zwar traf sich Petry mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf der Zugspitze und ließ sich öffentlichkeitswirksam ablichten. Aber auf Aussagen von Marine Le Pen, die sich für ein Treffen ausgesprochen hatte, reagierte die AfD-Chefin bislang jedoch nicht. Dabei ist ihr Lebensgefährte Marcus Pretzell im EU-Parlament der ENF-Fraktion beigetreten, in der auch der französische Front National und die FPÖ vertreten sind.

Für die Parteijugend scheinen Kontakte einfacher. Frohnmaier schrieb Reuters, die JA unterhalte „auf Mitgliederebene“ bereits Kontakte zur FN-Jugend „Front national de la jeunesse“. Salzborn zufolge ist es zweitrangig, ob sich Europas Rechtspopulisten offiziell oder inoffiziell vernetzen. Viel wichtiger sei: „Die einzelnen Mitgliedstaaten, aber auch die Europäische Union als Ganzes, muss sehr viel klarer sehen, dass hier ein Angriff auf fundamentale Werte der westlichen Gesellschaften vorbereitet wird“, warnt er: „Die EU muss sich in Zukunft deutlicher gegenüber solchen Netzwerken positionieren, deren Forderungen mit Grundwerten der europäischen Integration und demokratischen Gesellschaften schlichtweg nicht zu vereinbaren sind.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (19.6.2016)